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Gar nicht auf dem Holzweg
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Gar nicht auf dem Holzweg

Das australische Architekturstudio Hassell hat mit seiner Nachverdichtung in Holz einen wertvollen Beitrag für die Macquarie University geleistet – architektonisch, praktisch und thematisch. Entstanden ist eine juristische Fakultät mit Innovation und Geschichte.

Wallumettagal – ein Name, voll mit Historie, mit Tradition, mit Kultur. Die australischen Wallumettagal waren ein Stamm der australischen Ureinwohner aus dem Gebiet des heutigen Sydney – mit knapp fünf Millionen Einwohnern die größte Stadt Australiens. 

Gang zu den Seminarräumen
Das Holz als Hauptelement verleiht dem Universitätsgebäude eine ruhige Atmosphäre.

Kulturelles Erbe

Im Norden der Metropole befindet sich die Macquarie University, die mit ihrem Hauptcampus Bezug auf das kulturelle Erbe der australischen Ureinwohner nimmt und 2022 in Wallumattagal Campus umbenannt wurde. Vor wenigen Jahren schuf man mit dem Macquarie University Incubator einen preisgekrönten Holzbau, der als Pilotprojekt zeigt, wie sich Energie und Ressourcen auf allen Ebenen einsparen lassen. Als nun am selben Standort das Michael Kirby Building offiziell eröffnet wurde, hatte man im modernen Holzbau also schon wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Der Entwurf für das neue Unigebäude stammt vom Architekturbüro Hassell, das 1938 in Australien gegründet wurde und heute weitere Standorte in China, Singapur, den USA und Großbritannien betreibt. Auf 8.600 Quadratmetern Nutzfläche befinden sich hier, wo einst ein Verwaltungsgebäude mit lediglich zwei Stockwerken stand, nun die juristische Fakultät und der Fachbereich Philosophie. Die Nachverdichtung erfolgte in klimafreundlicher Holzbauweise und setzte auf den Betonbau zwei weitere Geschosse auf.

skulpturale Wendeltreppe
Die skulpturale Wendeltreppe als Hingucker im Atrium des Michael Kirby Building.

Holz als Favorit

Die neuen Seminar- und Lehrräume sind um das Bestandsgebäude herum angeordnet. Der ehemalige Hof des einstigen Verwaltungsbaus wurde in ein lichtdurchflutetes Atrium verwandelt, das jetzt den zentralen Kern der juristischen Fakultät bildet. Im Fokus des großzügigen Raumgefüges steht die skulpturale Wendeltreppe, die die beiden obersten Stockwerke erschließt. Im gesamten Gebäude ist Holz jenes bestimmende Element, das der Fakultät eine ruhige und offene Atmosphäre verleiht. 

Wie aufeinander gestapelte Holzkästen ragen verglaste Besprechungsräume ins Atrium hinein und betonen dabei die Skelettbauweise des Tragwerks. Die Konstruktion fungiert als Platzhalter der einzelnen Raumelemente und schafft eine Art Setzkasten in Lebensgröße, der bis unter die Decke reicht. Die verglaste Atriumdecke sorgt für einen natürlichen Lichteintrag ins Gebäude und öffnet den Blick nach oben. „Dieser freie Blick in den Himmel war ein wesentliches Gestaltungselement, er verbindet die Innenräume mit dem Bäumkronen draußen. Und er trägt zum Gefühl von Offenheit, Wärme und Zusammengehörigkeit am Campus bei“, so Kevin Lloyd, Chef-Designer des Sydney-Büros von Hassell und Hauptverantwortlicher des Projekts Michael Kirby Building.

Universitäts Fassade
Die Metallrippen setzen einen Kontrast zur Glasfassade der juridischen Fakultät.

Innovation durch Natürlichkeit

Holz und Glas ergänzen sich im Gebäude perfekt. Während Holz atmosphärische Wärme und Sicherheit vermittelt, sorgt Glas für Transparenz im Inneren und schafft eine Verbindung zum Außenraum. „Das Gefühl von räumlicher Offenheit spiegelt auch die transparenten, demokratischen und nicht-hierarchischen Werte der juristischen Fakultät wider“, so Lloyd.

Als Kontrast dazu entschied sich Hassell für breite Metallrippen an der Fassade, die das Gebäude vor der Sonne schützen. Auf dem Dach des Uni-Baus wurden Photovoltaikmodule installiert, die den Stromhaushalt für den Gebäudebetrieb unterstützen. 

Der freie Blick in den Himmel war ein wesentliches Gestaltungselement, er trägt zu einem Gefühl von Offenheit, Wärme und Zusammengehörigkeit am Campus bei.

Kevin Lloyd, Chef-Designer bei Hassell und Hauptverantwortlicher des Projekts Michael Kirby Building.

Dem Namensgeber gerecht

Eine regelrechter Hingucker im Michael Kirby Building ist der kreisrunde Lehr-Gerichtssaal. Er ragt aus dem Gebäude heraus und scheint regelrecht über dem Eingang zu schweben. Dabei ist nicht nur die architektonische Beschaffenheit etwas Besonderes. Denn hier finden alle Platz: Kläger, Beklagte, Richter, Anwälte und Zuhörer – wie in einem echten Gerichtsaal. Etwas, das es dieser Form in kaum einer anderen Universität gibt.

Lehr-Gerichtssaal
Der universitätseigene Übungs-Gerichtssaal – eine Besonderheiten der Fakultät.

Die juristische Fakultät auf dem Wallumattagal Campus gilt als eines der größten Holzgebäude in Australien, Fünf-Sterne-Bewertung des Green Building Council of Australia inklusive. Man darf annehmen, dass auch der Namensgeber mit „seinem“ Gebäude zufrieden ist. Michael Kirby, Jahrgang 1939, prägte nicht nur als Höchstrichter das australische Rechtssystem; als Vorsitzender einer Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen zeichnete er für die offizielle Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea mitverantwortlich.

Text: Eva Schroeder, Michi Reichelt
Bilder: Hassell

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