Magazin
MAGAZIN
Erstes Wohn-Hochhaus aus Holz
#greenbuilding

Erstes Wohn-Hochhaus aus Holz

In Paris macht seit kurzem ein Haus Furore, das als hölzernes Wohnregal daherkommt. Das Wood Up, so der Name des Holz-Hochhauses, erzeugt laut Architekturbüro LAN 80 Prozent weniger CO2 als ein herkömmlicher Bau. 

Die jüngst im Osten von Paris fertiggestellten Zwillingstürme Tours Duo vom Architekturbüro Jean Nouvel haben Gesellschaft bekommen. Vor den windschiefen Wolkenkratzern, die 180 und 120 Meter in die Höhe ragen, zeichnet sich ein kompaktes Hochhaus ab, das neuerdings das Stadtbild am Rande des 13. Pariser Arrondissements prägt. Zwar kann es höhenmäßig mit den beiden Türmen nicht mithalten, ein Rekordhalter ist es aber allemal. Das Wood Up, wie das 50 Meter hohe Gebäude heißt, ist nämlich das erste reine Wohn-Hochhaus, das aus Holz gebaut ist. 

Wood Up, LAN, Paris, Holzbau, Hochhaus
Das Hochhaus Wood Up steht zwischen dem industriellen Vorort Ivry und dem östlichen Rand von Paris.

Mit seiner streng gegliederten Fassade, die von Leimbindern in gleichmäßige Fächer geteilt wird, gleicht der Bau einem urbanen Möbelstück. Die massiven Stützen aus Brettschichtholz sind den großen Fensterflächen vorgelagert und dienen als schattenspendender Brise Soleil. Den konstruktiven Holzschutz übernehmen die über jedem Geschoss auskragenden Betondecken. Inszeniert als modernistisches Holzregal, versprüht es vor den spiegelglatten Fassaden und den frühindustriellen Schornsteinen ein wenig Wärme und unerwartetes Skandi-Flair. 

Aushängeschild für klimabewusstes Bauen

Ein Hingucker ist der längliche Einschnitt in seiner oberen Mitte, der durch den Baukörper hindurchblicken lässt. Für Passanten eine Art Guckfenster in den städtischen Kontext, für die Bewohnerinnen und Bewohner ein sehr großzügiger Außenraum für Veranstaltungen, Grillfeste oder das morgendliche Yoga. Von dieser 500 Quadratmeter großen Terrasse ergibt sich ein weiter Ausblick über Paris, der sich vom Eiffelturm bis zu La Défense erstreckt. 

Wood Up, LAN, Paris, Holzbau, Hochhaus
Die 500 Quadratmeter große Terrasse im achten Stock wird gemeinschaftlich genutzt und bietet einen weiten unverstellten Ausblick über Paris.

Wood Up ist das lang erwartete Ergebnis eines Wettbewerbs aus dem Jahr 2017, der durch die Pläne der Pariser Klimakonferenz angestoßen und von der Stadt Paris mitfinanziert wurde. Direkt an der Seine gelegen, ist es ein ikonisches Aushängeschild für das klimabewusste Bauen, das die Stadt im Rahmen der olympischen Spiele vergangenen Sommer verstärkt nach außen getragen hat. Neben einem Schwimmbad, dem Centre Aquatique Olympique, entstanden auch diverse Wohnhäuser und Bürogebäude in Holzbauweise.

Möbel aus dem Holzverschnitt

Das Holz für den Bau des Wohnturms stammt aus den Wäldern Frankreichs. Begünstigt durch die Lage am Flussufer erfolgte der Transport des nachwachsenden Baustoffes über die Seine. Für den bewitterten Außenbereich kam Douglasie zum Einsatz, ein Holz, das sehr feuchtigkeitsbeständig ist. Die Stützen im Innenbereich sind aus Buche, da diese Holzart eine hohe Druckfestigkeit aufweist. Und die Balken sind aus Fichte, da diese sehr biegefest ist. 

Wood Up, LAN, Paris, Holzbau, Hochhaus
Vor den spiegelglatten Fassaden der Zwillingstürme von Jean Nouvel versprüht das Wood Up unerwartetes Skandi-Flair.

Holz ist im Hinblick auf die CO2-Emissionen ein äußerst interessantes Material, da Bäume im Laufe ihres Lebens Kohlenstoff binden und ihn während ihres gesamten Lebenszyklus binden.

Umberto Napolitano, Architekt

Wood Up, LAN, Paris, Holzbau, Hochhaus
Die einzelnen Holzbauelemente mussten mussten mehrfachen Brandversuchen unterzogen werden.

Anstatt den Holzverschnitt thermisch zu verwerten, wie das oft in Holzverarbeitungsbetrieben geschieht, ließ das Architekturbüro daraus Möbel für die Gemeinschaftsräume herstellen. „Holz ist im Hinblick auf die CO2-Emissionen ein äußerst interessantes Material, da Bäume im Laufe ihres Lebens Kohlenstoff binden und ihn während ihres gesamten Lebenszyklus binden“, erklärt Umberto Napolitano, der das in Paris ansässige Büro LAN gemeinsam mit Benoît Jallon leitet.

80 Prozent weniger CO2

Über einen Lebenszyklus von 50 Jahren verursache das Wood Up 80 Prozent weniger CO2 als ein herkömmliches Gebäude, rechnet Napolitano vor. Dabei sind allerdings alle CO2-schonenden Maßnahmen mit einberechnet – vom Wassertransport bis zu Möbelbau aus dem Holzverschnitt. Der Entwickler REI Habitat versteht sich als Pionier des ökologischen Bauens und sagt: „Durch die Bevorzugung des französischen Marktes möchten wir die CO2-Auswirkungen des Transports auf die Gesamtbilanz von Immobilienprojekten verringern und die lokale Wirtschaft ankurbeln.“

Wood Up, LAN, Paris, Holzbau, Hochhaus
Manche Wohnungen gehen über zwei Stockwerke und können mit kleineren Einheiten verbunden werden.
Wood Up, LAN, Paris, Holzbau, Hochhaus
Alle Apartments verfügen über geschosshohe Verglasungen und Terrassenflächen.

Durch die Bevorzugung des französischen Marktes möchten wir die CO2-Auswirkungen des Transports auf die Gesamtbilanz von Immobilienprojekten verringern und die lokale Wirtschaft ankurbeln.

REI Habitat, Entwickler

Während das Bauen mit Holz vor dem desaströsen Brand von Notre Dame nicht eigens reguliert war, nehme man den Brandschutz seither besonders ernst, so Napolitano. Die für das Wohngebäude verwendeten Holzbauteile mussten zuvor mehrfach getestet werden, ob sie einem Brand mindestens acht Stunden standhalten würden. Die Stützen im Außenbereich bestehen aus einem Holzkern, der durch eine nicht brennbare Schicht vom äußeren Holzpaneel getrennt ist. 

Wood Up, LAN, Paris, Holzbau, Hochhaus
Der mehrgeschossige Wohnbau ist ein ikonisches Aushängeschild für das nachhaltige Bauen in Paris.

Dass das Wood Up das Leben am äußersten Stadtrand von Paris attraktiv macht, zeigt der Run auf den neuen Wohnbau. Schon kurz nach der Fertigstellung des Gebäudes waren alle 132 Einheiten vermietet.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Charly Broyez, Daisy Reillet

Weitere Artikel
für Sie:

Die Frau hinter Henning Larsen
#architektur
Die Frau hinter Henning Larsen

In über 20 Jahren hat CEO Mette Kynne Frandsen das dänische Architekturbüro Henning Larsen zu dem gemacht, was es heute ist: ein Pionier, der weltweit nachhaltige Architektur von ikonischem Wert schafft. Bevor sie als CEO abdankt, hat sie uns noch ein Interview gegeben.

Ein Hochhaus im Dorf
#wohnen
Ein Hochhaus im Dorf

Ein eigenwilliger Holzbau in Oberösterreich räumt einen Architekturpreis nach dem anderen ab. Das Hohe Schwarze von Schneider Lengauer Pühringer Architekten zeigt, dass der umstrittene Wohntyp Einfamilienhaus nach wie vor seine Berechtigung hat.

Gar nicht auf dem Holzweg
#architektur
Gar nicht auf dem Holzweg

Das australische Architekturstudio Hassell hat mit seiner Nachverdichtung in Holz einen wertvollen Beitrag für die Macquarie University geleistet – architektonisch, praktisch und thematisch. Entstanden ist eine juristische Fakultät mit Innovation und Geschichte.

In Albert Einsteins Fußstapfen
#greenbuilding
In Albert Einsteins Fußstapfen

Das Europäische Forschungszentrum für Kern- und Teilchenphysik erforscht den Aufbau der Materie. Eine Erkenntnis ist gesichert: Das neue Forschungszentrum CERN B777 von Henning Larsen wird rund sein und großteils aus Holz bestehen.

Ein Sommerhaus, das mitwächst
#wohnen
Ein Sommerhaus, das mitwächst

Im Norden der dänischen Insel Seeland haben Norm Architects das Heatherhill Beach House entwickelt – ein Strandhaus, das so wandelbar ist wie die umgebende Natur.

Eine Uni probt die Bauwende
#greenbuilding
Eine Uni probt die Bauwende

Das Marga Klompé Haus der Universität Tilburg ist das erste Unigebäude der Niederlande, das aus Holz gebaut ist. Teil des kreislauffähigen Designs von Powerhouse Company ist eine Dämmung aus recycelten Jeans.

Ein Hafen macht auf
#stadtplanung
Ein Hafen macht auf

Baltimores Inner Harbor soll revitalisiert und noch mehr ein Ort für Menschen werden. Die beauftragten Architekten von 3XN wissen, was sie tun, denn Kopenhagen hat dieselbe Entwicklung bereits hinter sich.

Ein Holzbau für den Wiener Prater
#greenbuilding
Ein Holzbau für den Wiener Prater

Das neue Pratermuseum ist eröffnet. Architekt Michael Wallraff hat einen der ersten öffentlichen Holzbauten der Stadt entworfen und das Klimasystem gemeinsam mit einem Wiener Start-up dekarbonisiert.

Die tun was für Studierende
#architektur
Die tun was für Studierende

ASAS arkitektur hat die Studentenwohnheime der Toneheim Folkehøgskole durch neue ersetzt. In der Mitte: ein Hof, der in Norwegen traditionell „Tun“ heißt. Die dorfähnliche Struktur fördert das Zusammenspiel der Bewohner. Perfekt für ein Musik-College.

Wie Phönix aus der Asche
#stadtplanung
Wie Phönix aus der Asche

Im einstigen Industrieviertel der südenglischen Stadt Lewes entsteht Großbritanniens größtes Quartier in Holzbauweise. Phoenix nennt sich das neue Stadtgebiet, mit dem ein kleiner Developer den britischen Wohnbausektor aufmischt.

Die schickste Tanke landauf, landab
#architektur
Die schickste Tanke landauf, landab

Am nördlichen Stadtrand von Coburg entsteht ein öffentlicher E-Ladepark, der zum inklusiven Ausfliegsziel im Grünen werden soll. Das Büro DKFS Architects setzt auf einen futuristischen Holzbau, der Natur und Technik in Einklang bringt.

Mach die Welle!
#architektur
Mach die Welle!

Das Kilden Performing Arts Centre in der norwegischen Stadt Kristiansand ist eine Freiformkonstruktion aus Holz mit über 14.000 Einzelteilen. ALA Architects schafften eine Form mit dramatischer Geste – und konkreter Funktion.

Turmbau zu Großarl
#hotel
Turmbau zu Großarl

Das Naturresort Moar Gut in der Salzburger Bergwelt hat Zuwachs bekommen. Die Neubauten in moderner Holzbauweise passen zur lokalen Baukultur und stärken den bäuerlichen Bestand. Zentrales Element der Erweiterung sind die 5-geschossigen Suitentürme.

Ein Holzbau für McDonald’s
#greenbuilding
Ein Holzbau für McDonald’s

In São Paulo befindet sich Brasiliens „nachhaltigster McDonald’s“. Er ist aus Holz gebaut und dient als Lehrprojekt für das nachhaltige Bauen. Für den Konzern ist der Holzbau ein „Rezept für die Zukunft“.

Schüsselerlebnis à la Japan
#stadtplanung
Schüsselerlebnis à la Japan

In Japan entsteht mit dem Hida Furukawa Station Eastern Development ein neues öffentliches Zentrum in Form einer traditionellen japanischen Schüssel. Sou Fujimoto verbindet damit Tradition mit Moderne – und ganz viel Natur.

Bhutan baut die Stadt der Zukunft
#stadtplanung
Bhutan baut die Stadt der Zukunft

Das kleine Königreich hat große Pläne: Mit der visionären „Mindfulness City“ soll ein vorbildlich nachhaltiges Wirtschaftszentrum entstehen, das der Philosophie des „Bruttonationalglücks“ voll entspricht. Gebaut wird nach einem Masterplan des dänischen Star-Architekten Bjarke Ingels.

In freier Schwebe
#greenbuilding
In freier Schwebe

Der TUM Campus im Münchner Olympiapark zeigt, wie eine durchdachte Holzkonstruktion Ressourcen und damit auch Kosten sparen kann. Der aktuell größte Holzbau Europas wurde jetzt für den DAM Preis 2024 nominiert. 

Grünes Büro in der Gartenstadt
#greenbuilding
Grünes Büro in der Gartenstadt

Die beeindruckende Stadtplanung Singapurs wurde von Eric Parry Architects um ein Gebäude bereichert. Entstanden ist mit dem Headquarter von Wilmar International ein grünes Büro, das zum Verweilen einlädt.

Holz-Hochhaus knackt 100-Meter-Marke
#greenbuilding
Holz-Hochhaus knackt 100-Meter-Marke

Über 120 Meter hoch, zu großen Teilen aus Holz gebaut und mit einer Glasfassade, die Strom erzeugt: In Offenbach soll ein Büroturm namens Namu künftig die Skyline prägen.

Die Arche Chinas
#stadtplanung
Die Arche Chinas

Die Zhangjiang Zementfabrik gehörte früher zu den drei größten Zementfabriken Shanghais. Nun soll sie renoviert und neu genutzt werden – MAD Architects entwarfen dafür ein Projekt der Vielfalt: The Ark.

Mexikos größter Holzbau
#greenbuilding
Mexikos größter Holzbau

Das Architekturbüro Dellekamp Schleich hat in Mexiko-Stadt den bislang größten Ingenieur-Holzbau des Landes entworfen. Das Bürogebäude Jardín Anatole ist nicht nur nachhaltig gebaut, es soll auch Erdbeben gut standhalten.

This site is registered on wpml.org as a development site. Switch to a production site key to remove this banner.