Die schickste Tanke landauf, landab
Am nördlichen Stadtrand von Coburg entsteht ein öffentlicher E-Ladepark, der zum inklusiven Ausfliegsziel im Grünen werden soll. Das Büro DKFS Architects setzt auf einen futuristischen Holzbau, der Natur und Technik in Einklang bringt.
Seit den 1950er-Jahren verzeichnet man in den Industrienationen eine Mobilitätsexplosion, die in erster Linie als motorisierter Individualverkehr in Erscheinung tritt. Die Vorstellung von individueller Freiheit war seither eng mit dem Besitz eines eigenen Pkws verknüpft, und ist es großteils auch heute noch. Während sich der Ausbau der städtischen Verkehrsinfrastruktur über Jahrzehnte auf den motorisierten Verkehr konzentrierte, begann erst in jüngerer Zeit langsam ein Umdenken. Für Fußgänger und Radfahrer, die sich oft mehr schlecht als recht durch den überlasteten Straßenverkehr wursteln müssen, entstehen immer öfter eigene Hochbrücken zum Überqueren des dichten urbanen Geflechts, und das nicht nur in der Fahrradhauptstadt Kopenhagen. Neuerdings werden auch Tankstellen geplant, die zum fußgängertauglichen Ausflugsziel im Grünen werden und mit der Asphalt-Tristesse der Vergangenheit nichts mehr gemein haben. Im Fall des E-Ladeparks, den das Unternehmen KAESER in Coburg plant, hat die Tanke sogar das Zeug zur architektonischen Landmarke.
Vision von Mobilität und Naturverbundenheit
Der Entwurf für die extravagant geschwungene Holzkonstruktion stammt von dem in London und Köln ansässigen Büro DKFS Architects, das sich in den letzen Jahren im Bau von durchdachten Fußgänger- und Fahrradbrücken einen Namen gemacht hat. Unter anderem soll in Warschau eine der längsten Fußbrücken Europas entstehen, die auf einer Länge von 500 Metern barrierefrei die Stadt erschließt und zugleich als Panoramaweg eine neue touristische Attraktion bildet.
Der Entwurf integriert Natur, Technik und Leben zu einer neuen Generation von Infrastruktur.
KAESER Ladepark Coburg
Die geschichtsträchtige Stadt Coburg im nördlichen Bayern soll künftig über einen der modernsten Ladeparks Deutschlands verfügen, bei dem das Wort „Park“ auch seinen Namen verdient. Hinter dem Projekt steht der Druckluft-Systemanbieter KAESER Kompressoren, der die architektonische Vision eines Mobilitäts- und Wohlfühlortes entstehen lässt. „Der Entwurf integriert Natur, Technik und Leben zu einer neuen Generation von Infrastruktur“, fasst es das Unternehmen in einer Aussendung zusammen.
Natur und Technik in Harmonie
So entsteht am nördlichen Rand des Stadtgebiets eine markante Dachkonstruktion in moderner Holzbauweise. Gerade und geschwungene Leimbinder bilden das Tragwerk eines aerodynamisch geformten Daches, das sich in Bändern über die Ladestraßen zieht. „Dass sich das Bauwerk als Teil der Topographie begreift, wird am eleganten Schwung der Ladepark-Überdachung erkennbar.“
An der weithin sichtbaren Erhebung des geplanten Ladeparks soll das harmonische Zusammenspiel von Natur und Technik ablesbar sein. Mit seiner CO2-reduzierten Holzbauweise und den stromerzeugenden Photovoltaikschindeln am Dach versteht sich das Bauwerk auch als Beitrag zum Erhalt der Landschaft, in die es eingebettet ist. Die E-Ladestationen werden mit 100 Prozent Ökostrom betrieben, und ein neu angelegter Klimawald soll den Baumbestand ergänzen.
Einer Neu-Versiegelung von Flächen will man mit dem Bauprojekt aktiv entgegenwirken: „Mit der Realisierung kommt es insgesamt zu einem signifikanten Rückbau von versiegelten Flächen, da überwiegend wasserdurchlässiger Asphalt bzw. Rasenfugenpflaster verwendet wird.“ Beim landschaftlichen Konzept setzt man auch auf Sickermulden, die vor Hochwasser schützen und im Sommer Verdunstungskühle abgeben.
60 Ultra-Schnellladestationen mit 300 kW
Von dem neuen Ladepark sollen Bürger und Unternehmen gleichermaßen profitieren, da es zum einen das Ziel der CO2-Neutralität vorantreibt und zum anderen den Weg für eine flächendeckende Elektromobilität in der aktuell noch unterversorgten Region ebnet. Für das Unternehmen selbst ist das Projekt „ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum energieautarken Unternehmen“, wie es heißt.
Mit der Realisierung kommt es insgesamt zu einem signifikanten Rückbau von versiegelten Flächen.
KAESER Ladepark Coburg
Auf einer Fläche von knapp 3,5 Hektar im Coburger Gewerbegebiet Nord sind an die 60 HPC-Ladestationen vorgesehen. HPC steht für High Power Charger, also eine ultraschnelle Ladeleistung, die in diesem Fall bei 300 kW liegt. Bei entsprechend dimensionierter Batterie lässt sich ein E-Auto damit in nur acht Minuten aufladen. Zudem sind auch vier Schnellladestationen für LKWs und 40 Stellplätze vorgesehen.
Die Tanke als Ausflugsziel
Ein intelligentes Stellplatzinformationssystem soll dafür sorgen, dass es sich beim Laden nicht staut. Sollte es dennoch zu Wartezeiten kommen, verspricht der Ladegarten samt Café-Shop, E-Bike-Leihstation und Kinderspielplatz einen kurzweiligen Aufenthalt. Die Fahrt zur Tanke könne dabei sogar zum familiären Wochenendausflug werden, wie es in der Aussendung heißt.
„Grünraumketten führen die Nutzerinnen und Nutzer über eine barrierefreie Rampe auf die obere Ebene zu Dachterrassen und einem direkt anschließenden Parkareal. Dessen gartenhafter Charakter mit Kleinbäumen, Sitzgelegenheiten und einem Netzwerk aus attraktiven Spazierwegen lädt zum Erholen und Entspannen ein.“
Die beliebten Coburger Naherholungsgebiete Goldbergsee und Glenderwiesen sollen durch das Projekt außerdem besser angebunden werden. Da die Erschließung des Ladeparks nicht nur straßenbaulich erfolgt, sondern auch ein neues Netz an Fuß- und Radwegen entsteht, wird die Tankstelle zur inklusiven Destination, die allen Verkehrsteilnehmern offensteht.
Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: KAESER Ladepark Coburg