Die tun was für Studierende

ASAS arkitektur hat die Studentenwohnheime der Toneheim Folkehøgskole durch neue ersetzt. In der Mitte: ein Hof, der in Norwegen traditionell „Tun“ heißt. Die dorfähnliche Struktur fördert das Zusammenspiel der Bewohner. Perfekt für ein Musik-College.

Graue unpersönliche Kästen? Zellen an langen öden Korridoren? Fantasielose Container-Dörfer gar? Was das studentische Wohnen über Jahrzehnte prägte, ist zum Glück ein Auslaufmodell. Zwar geht es weiterhin darum, Studierenden praktischen Wohnraum zu fixen, überschaubaren Kosten zur Verfügung zu stellen, damit sie sich auf ihre Ausbildung konzentrieren können. Und nach wie vor hat die Architektur auch immer noch die Verantwortung, „die Grundlagen für ein autarkes Leben in einem geschützten Raum zu schaffen“, wie Marina Döring-Williams betont, Professorin an der TU Wien und Co-Autorin des Buchs „Das Wiener Studentenheim“. Moderne Studentenwohnheime meistern durch eine Kombination aus innovativen Bautechnologien und nutzerzentrierter Planung mittlerweile aber auch die Herausforderung, zeitgemäße Ansprüche in Bezug auf Ökonomie und Ökologie mit Lebensqualität unter einen Hut zu bringen. Zunehmend werden sie gar zu Pionieren und Laboren für das urbane Wohnen der Zukunft.

Voderansicht Studentwohnheim ASAS arkitektur
Das neue Studentenwohnheim der Toneheim Folkehøgskole in Ridabu, Norwegen, wurde von ASAS arkitektur geplant.

Vielfalt studentischen Wohnens

Wie vielfältig sich studentisches Wohnen heute gestalten lässt, zeigte das Deutsche Architektenblatt, kurz DAB, unlängst mit der Vorstellung einer kleinen Auswahl von Projekten. Beeindruckend auch das Beloit College Powerhouse, über das wir schon berichteten. Und eine Studie der WOKO (Studentische Wohngenossenschaft Zürich) versammelte ebenso einige Vorzeigebauten. Ihnen gemein ist, dass sie nie auf die nebeneinander existierenden Bedürfnisse nach Gemeinschaft und Privatsphäre vergessen. Besonders im Trend liegen einerseits Wohngemeinschaften in möglichst kleinen Gruppen von zwei bis maximal neun Personen, anderseits Einzelappartements mit eigenem Bad und Kochgelegenheit. Moderne Einrichtungen setzen zudem auf eine Mischung aus halböffentlichen Bereichen und privaten Treffpunkten für Lerngruppen.

Studentenwohnheim Toneheim Folkehøgskole Norwegen
Um die Bauzeit zu verkürzen, setzte man auf eine modulare Bauweise und vorgefertigte Holzkonstruktionen.

Raum für Musik(er)

Ein Projekt, das auf den Listen fehlt, ist das Studentenwohnheim von ASAS arkitektur in Ridabu vor den Toren der norwegischen Olympiastadt Hamar. Nicht, weil es keinen Platz darauf verdient hätte. Sondern weil es ganz neu ist. Die Planer ersetzten damit das bestehende und schon deutlich in die Jahre gekommenen Studentenwohnheim der Toneheim Folkehøgskole, einer Art College, das sich der Ausbildung von Musikerinnen und Musikern verschrieben und auch schon einige Berühmtheiten hervorgebracht hat.

Um die Bauzeit der Passivhäuser zu verkürzen, setzte man bei der Betonkonstruktion auf eine modulare Bauweise und auf vorgefertigte Holzkonstruktionen als Hauptelemente. Außerdem verfolgte man die Idee einer einfachen Baustein-Struktur. Sie wiederholt und variiert sich – je nach Platzierung der einzelnen Gebäude auf dem Grundstück und ihrer Ausrichtung. „Durch dieses Prinzip konnte das Gelände größtenteils so belassen werden, wie es war“, so die Planer. Zusätzlich zahlt der kompakte Grundriss auf die Effizienz hinsichtlich Raumnutzung, Energie und Wirtschaftlichkeit ein.

Zimmer im Passivhaus
Die Zimmer des Studentenwohnheims: zweckmäßig, …
Ausblick aus dem Wohnheimzimmer
… aber mit schönem Ausblick.

Holz gegen dicke Luft

So schnell der Bau vonstatten ging, so lange nahm man sich Zeit für die Planung. Ideen und Konzepte werden bei ASAS arkitektur nämlich hauptsächlich von Hand zu Papier gebracht. „Bei der Handskizze werden die räumlichen Qualitäten an physischen Modellen getestet, bevor die Projekte in die digitale 3D-Welt einfließen“, erklärt das Büro. So hätten die Teams Zeit, das optimale Verhältnis zwischen Form, Raum und Funktion zu untersuchen und die richtige Strategie für Nachhaltigkeit, Systeme und Materialien zu wählen, heißt es aus dem Osloer Hauptsitz. Ein Ergebnis des Prozesses war im Falle des Studentenwohnheims der Toneheim Folkehøgskole eine verkettete Gebäudestruktur. Sie sorgt für kleinere Fassaden und begrenzt den Wärmeverlust. Alle Fenster haben zudem sehr niedrige U-Werte und können, wenn es Tages- und Jahreszeit zulassen, auch als Sonnenfänger fungieren.

Im Inneren der Blöcke finden sich je fünf Zwei-Personen-Zimmern, Sanitäranlagen, ein Aufenthalts- und ein Gemeinschaftsraum mit Küche. Letzterer liegt so, dass die Bewohnerinnen und Bewohner an ihm vorbekommen, wenn sie ins oder aus dem Gebäude unterwegs sind. Das soll die Interaktion und Kommunikation fördern. Dafür, dass raumklimatisch keine dicke Luft zwischen den Studierenden herrscht, sorgen Innenwände aus Fichtenholz.

Treppehaus im Wohnheim
Viel Holz fürs Raumklima, …
Treppenhaus im Studentenwohnheim
… und mit Sitzecken als Rückzugsort geplant.

Treppe als Rückzugsraum

Das Massivholz kam auch bei der Außenverkleidung zum Einsatz. Über die Jahre werden die Gebäude also eine silbergraue Patina erhalten. Ansonsten werden die effizienten Gebäude nicht so schnell altern. Die auch für Rollstuhlfahrer zugänglichen Schlafzimmer können jedenfalls auf vielfältige Weise eingerichtet und genutzt werden. Der Stauraum ist maximiert, mit Platz unter dem Bett und einer Wandnische darüber. Von den Schlafzimmern im Süden und Westen hat man einen schönen Blick auf das ländliche Stangelandet, von jenen im Nordosten auf die Vang-Kirche.

Das Zweibett-Zimmer ist nicht privat genug? Auch daran haben die Planer gedacht. Ihre Lösung: Sie integrierten die Treppe in den Gemeinschaftsraum. Man muss aber nicht auf den Stufen sitzen, um in Ruhe zu lesen oder zu telefonieren. Vielmehr beherbergt der Treppenturm kleine, intime Rückzugsäume. Außerdem ist er auch ein wichtiges internes und externes Element in Bezug auf die Form der Häuser und: ein Teil des Nachhaltigkeitskonzepts. Denn die Oberlichter im Treppenhaus sorgen für einen großzügigen Tageslichteinfall in den Häusern.

Vogelperspektive Wohnheim Ridabu
Von oben erkennt man gut, wie die einzelnen Blöcke um den Tun, den traditionellen Hof, herum errichtet wurden.

Das Tun rund um den Tun

Es ist also genau genommen nicht ganz richtig, von einem Wohnheim zu sprechen. Vielmehr schuf das Team von ASAS arkitektur auf dem Gelände ein ganzes Dorf. Die Gebäude gruppieren sich dabei um einen Hof herum, der in Norwegen traditionell „Tun“ genannt wird. Der Ausdruck geht auf die Bezeichnung „Tunanlegg“ für frühgeschichtliche Hofsiedlungen zurück. Bis heute ist diese landestypische, dorfähnliche Struktur, die tief mit dem Ort und seiner Geschichte verwurzelt ist, für Bauerhöfe im hohen Norden weit verbreitet.

In Ridabu wählte man sie einerseits, weil die Ausbildungsstätte auch ein Ort war und ist, an dem Traditionen hochgehalten werden. Und das sollte sich in der Architektur des neuen Studentenwohnheims der Toneheim Folkehøgskole widerspiegeln. Andererseits trägt der Dorfcharakter auch zum Wohlbefinden der Lernenden wie Lehrenden bei. Im „Tun“ wurden Obstbäume und robuste, pflegeleichte Sträucher gepflanzt, wie etwa die Junibeere, die im Frühjahr blüht und im Herbst Beeren liefert. Außerdem wurden im Hof mit Rasenflächen und Bänken Begegnungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen.

Studentenwohnheim der Toneheim Folkehøgskole
Der Hof zwischen den Gebäuden: eine Begegnungszone.
Holzfassade des Studentenwohnheims
Die Holzfassade wird sich mit der Zeit „versilbern“.

Gemeinschaft ist beim Studentenwohnheim der Toneheim Folkehøgskole auch inklusiv gedacht geworden. Die unzähligen Laufwege gewährleisten durch taktile Aufmerksamkeitszonen und in die Gehwege integrierte Führungslinien die Orientierung für Sehbehinderte. Und nicht zuletzt sind neben den Eingängen auch alle Gemeinschaftsräume auf den Hof ausgerichtet. Für den Blick ins Grüne. Aber auch für den optische Erinnerung, dass man in eine große Community eingebunden ist.

Denn mag man auch musikalisch ein Solist sein: Ohne Orchester und das Zusammenspiel geht es auf Dauer nicht.

Text: Daniela Schuster
Bilder: ASAS arktektur

Wie Phönix aus der Asche

Im einstigen Industrieviertel der südenglischen Stadt Lewes entsteht Großbritanniens größtes Quartier in Holzbauweise. Phoenix nennt sich das neue Stadtgebiet, mit dem ein kleiner Developer den britischen Wohnbausektor aufmischt.

Der Wohnbausektor in Großbritannien ist seit einigen Jahrzehnten in festen Händen. Während der Markt früher von einer Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen bespielt wurde, werden heute laut dem Branchenportal „building.co.uk“ 80 Prozent aller neuen Wohnungen von fünf großen Playern gebaut. Der neue Entwickler Human Nature aus East Sussex möchte den Beweis antreten, dass auch kleinere Unternehmen mitmischen und mitunter erfolgreicher sein können als die Platzhirschen. Nämlich wenn es darum geht, leistbaren Wohnraum und ein Stadtgefüge zu schaffen, das architektonischen Anspruch hochhält und ökologisch und sozial nachhaltig ist. Mit dem Projekt Phoenix in der historischen Stadt Lewes in East Sussex soll eine Industriebrache zur neuen Vorzeigestadt werden. Und zu Großbritanniens größtem Stadtgebiet, das aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz gebaut ist.

Phoenix, Lewes, Holzbau, England, Human Nature, Periscope
So soll das neue Viertel in Holzbauweise in der südenglischen Stadt Lewes aussehen.

Ehemaliger Greenpeace-Chef als Developer

Bei ähnlichen Projekten dieser Art seien es meist die nachhaltigen und sozialen Aspekte, die im Sinne der Gewinnmaximierung als erstes dem Rotstift zum Opfer fallen. „Grundsätzlich ist es unsere Überzeugung, dass Grundstückseigentümer und Entwickler zu viel Geld auf Kosten der Gemeinden, der Qualität und der Nachhaltigkeit von Orten abziehen und dass ein neues Gleichgewicht gefunden werden muss“, erklärt Jonathan Smales, CEO von Human Nature und früherer Geschäftsführer von Greenpeace. „Human Nature hat sich bei diesem Projekt für eine kleinere Gewinnspanne entschieden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und der Stadt mehr soziale und wirtschaftliche Vorteile zu bieten.“

Human Nature hat sich bei diesem Projekt für eine kleinere Gewinnspanne entschieden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und der Stadt mehr soziale und wirtschaftliche Vorteile zu bieten.

Jonathan Smales, CEO von Human Nature

Smales und sein Team sind in der Gegend im Südosten Englands persönlich verwurzelt und nicht dem großen Druck von Shareholdern oder Kreditgebern ausgesetzt, der viele Entwickler dazu bringt, Kosten zu senken und Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Dass Human Nature einen anderen Weg gehen will, zeigt schon das etwas großspurige Intro-Statement auf ihrer Website: „Es gibt eine viel, viel bessere Welt. Aber man muss sie gesehen haben, um daran zu glauben.“ Mit dem Großprojekt, das auf dem Gelände des ehemaligen Eisenwerks Phoenix an die 700 neue Wohnungen entstehen lässt, möchte Human Nature die Latte für neue Mixed-Use-Projekte in Großbritannien höher legen.

Phoenix, Lewes, Holzbau, England, Human Nature, Periscope
Eine Wohnhausanlage direkt am Fluss Ouse nach den Plänen des Büros Adam Richards Architects.

Ein Masterplan für die autofreie Stadt

Phoenix ist als fußgänger- und fahrradfreundliches Viertel konzipiert, in dem es nur sehr begrenzt straßenseitige Parkplätze gibt. Stellplätze für Autos gibt es stattdessen in einem sogenannten Co-Mobility Hub am südlichen Rand des Viertels. Car- und E-Bike-Sharing sowie ein Shuttlebus-Service sollen dazu animieren, dass auf das Fahren im eigenen Auto möglichst verzichtet wird.

Den Masterplan für das neue Stadtgebiet hat das Team von Human Nature zusammen mit dem Architekturbüro Periscope und Kathryn Firth erstellt, der Leiterin der Urban-Design-Abteilung des Planungsbüros Arup. Die Gebäude sind zwei- bis fünfstöckig geplant und orientieren sich an lokalen Typologien und baukulturellen Gegebenheiten.

Masterplan, Phoenix, Lewes, Holzbau, England, Human Nature, Periscope
Der Masterplan für das neue Stadtviertel setzt auf fußgänger- und fahrradfreundliche Straßen.

Ressourcen schürfen im Bestand

Den Bestand des einstigen Industrieviertels will man, so weit es möglich ist, renovieren und für die gemeinschaftlichen Bereiche wie Kantine, Veranstaltungssaal, Fitness Center und Werkstätten nutzen. Darüber hinaus soll in den nicht erhaltenswerten Bestandsstrukturen nach wiederverwendbaren Rohstoffen geschürft werden.

Die Firma Local Works Studio aus East Sussex, die auf die kreative Wiederverwendung von Materialien spezialisiert ist, hat das gesamte Grundstück begutachtet. Dabei wurden alle verbauten Materialien, die sich wiederverwenden oder recyceln lassen, katalogisiert, in erster Linie sind das Stahl, Holz, Ziegel und Beton. Aus einem Stahlgerüst will man beispielsweise eine neue Fußgängerbrücke über den Fluss Ouse errichten, der das Grundstück an der Ostseite begrenzt.

Bestand, Phoenix, Lewes, Holzbau, England, Human Nature, Periscope
Einige Bestandsgebäude des Industriegebietes sollen erhalten um umgenutzt werden, in anderen wird nach wiederverwertbaren Materialien geschürft.

Alle Neubauten in Holzbauweise

Die Energieeffizienz des neuen Stadtviertels und der Betrieb durch erneuerbare Energien zielt auf einen CO2-armen Betrieb ab. Alle geplanten Neubauten in Phoenix sollen in Holzbauweise errichtet werden. Das Holz dafür wird vermutlich aus dem kontinentalen Europa bezogen, während das Holz für die Fassadenpaneele aus lokaler Produktion stammt.

Das Bauen mit natürlichen Materialien liegt auf der Hand, wenn man es mit der Nachhaltigkeit ernst meint und sich nicht bloß Lippenbekenntnissen hingibt.

Jonathan Smales, CEO von Human Nature

Immerhin ist East Sussex die Grafschaft mit den zweithöchsten Waldbeständen in England. Das Potenzial für einen langfristig erfolgreichen Industriezweig sei laut Smales vorhanden. „Das Bauen mit natürlichen Materialien liegt auf der Hand, wenn man es mit der Nachhaltigkeit ernst meint und sich nicht bloß Lippenbekenntnissen hingibt“, so Smales. In herkömmlicher Bauweise würde es 40 Jahre dauern, um die entstandenen Emissionen wieder auszugleichen, rechnet er vor.

Phoenix, Lewes, Holzbau, England, Human Nature, Periscope
Am Flussufer sollen öffentliche Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen.

Erfolg durch Nachhaltigkeit

Das Projekt hat kürzlich die Baugenehmigung erhalten, eine Hürde, an der ein anderer Developer zuvor gescheitert war. Eine lokale Interessensgruppe namens Lewes Phoenix Rising hatte sich gegen das Vorgängerprojekt ausgesprochen und forderte eine dezidiert nachhaltige Entwicklung des Areals. 

Dass die Industriebrache nun wie Phönix aus der Asche steigt, ist nicht zuletzt der sozialen Nachhaltigkeit des aktuellen Projektes zu verdanken. Mit seinem Konzept will Human Nature die Menschen mitnehmen und ihnen Perspektiven bieten. Im Zuge des Immobilienprojektes soll eine Reihe an Arbeits- und Ausbildungsplätzen entstehen. Die Fassadenpaneele etwa werden aus Holz und Hanfbeton in einer Produktionsstätte vor Ort hergestellt. Damit will man jungen Menschen die Möglichkeit bieten, in Kooperation mit dem East Sussex College eine Ausbildung in nachhaltigen Bauweisen zu absolvieren.

Text: Gertraud Gerst
Fotos und Visualisierungen: Human Nature, Periscope, Adam Richards Architects, Ash Sakula Architects, Mae Architects

Die schickste Tanke landauf, landab

Am nördlichen Stadtrand von Coburg entsteht ein öffentlicher E-Ladepark, der zum inklusiven Ausfliegsziel im Grünen werden soll. Das Büro DKFS Architects setzt auf einen futuristischen Holzbau, der Natur und Technik in Einklang bringt.

Seit den 1950er-Jahren verzeichnet man in den Industrienationen eine Mobilitätsexplosion, die in erster Linie als motorisierter Individualverkehr in Erscheinung tritt. Die Vorstellung von individueller Freiheit war seither eng mit dem Besitz eines eigenen Pkws verknüpft, und ist es großteils auch heute noch. Während sich der Ausbau der städtischen Verkehrsinfrastruktur über Jahrzehnte auf den motorisierten Verkehr konzentrierte, begann erst in jüngerer Zeit langsam ein Umdenken. Für Fußgänger und Radfahrer, die sich oft mehr schlecht als recht durch den überlasteten Straßenverkehr wursteln müssen, entstehen immer öfter eigene Hochbrücken zum Überqueren des dichten urbanen Geflechts, und das nicht nur in der Fahrradhauptstadt Kopenhagen. Neuerdings werden auch Tankstellen geplant, die zum fußgängertauglichen Ausflugsziel im Grünen werden und mit der Asphalt-Tristesse der Vergangenheit nichts mehr gemein haben. Im Fall des E-Ladeparks, den das Unternehmen KAESER in Coburg plant, hat die Tanke sogar das Zeug zur architektonischen Landmarke.

KAESER Ladepark Coburg, DKFS Architects, Holzbau
Tanken im Klimawald: Am geplanten Coburger Ladepark entsteht eine Parklandschaft für alle Verkehrsteilnehmer.

Vision von Mobilität und Naturverbundenheit

Der Entwurf für die extravagant geschwungene Holzkonstruktion stammt von dem in London und Köln ansässigen Büro DKFS Architects, das sich in den letzen Jahren im Bau von durchdachten Fußgänger- und Fahrradbrücken einen Namen gemacht hat. Unter anderem soll in Warschau eine der längsten Fußbrücken Europas entstehen, die auf einer Länge von 500 Metern barrierefrei die Stadt erschließt und zugleich als Panoramaweg eine neue touristische Attraktion bildet.

Der Entwurf integriert Natur, Technik und Leben zu einer neuen Generation von Infrastruktur.

KAESER Ladepark Coburg

Die geschichtsträchtige Stadt Coburg im nördlichen Bayern soll künftig über einen der modernsten Ladeparks Deutschlands verfügen, bei dem das Wort „Park“ auch seinen Namen verdient. Hinter dem Projekt steht der Druckluft-Systemanbieter KAESER Kompressoren, der die architektonische Vision eines Mobilitäts- und Wohlfühlortes entstehen lässt. „Der Entwurf integriert Natur, Technik und Leben zu einer neuen Generation von Infrastruktur“, fasst es das Unternehmen in einer Aussendung zusammen.

Natur und Technik in Harmonie

So entsteht am nördlichen Rand des Stadtgebiets eine markante Dachkonstruktion in moderner Holzbauweise. Gerade und geschwungene Leimbinder bilden das Tragwerk eines aerodynamisch geformten Daches, das sich in Bändern über die Ladestraßen zieht. „Dass sich das Bauwerk als Teil der Topographie begreift, wird am eleganten Schwung der Ladepark-Überdachung erkennbar.“

KAESER Ladepark Coburg, DKFS Architects, Holzbau
Das aerodynamisch geformte Dach wird von gebogenen Leimbindern getragen.

An der weithin sichtbaren Erhebung des geplanten Ladeparks soll das harmonische Zusammenspiel von Natur und Technik ablesbar sein. Mit seiner CO2-reduzierten Holzbauweise und den stromerzeugenden Photovoltaikschindeln am Dach versteht sich das Bauwerk auch als Beitrag zum Erhalt der Landschaft, in die es eingebettet ist. Die E-Ladestationen werden mit 100 Prozent Ökostrom betrieben, und ein neu angelegter Klimawald soll den Baumbestand ergänzen. 

Einer Neu-Versiegelung von Flächen will man mit dem Bauprojekt aktiv entgegenwirken: „Mit der Realisierung kommt es insgesamt zu einem signifikanten Rückbau von versiegelten Flächen, da überwiegend wasserdurchlässiger Asphalt bzw. Rasenfugenpflaster verwendet wird.“ Beim landschaftlichen Konzept setzt man auch auf Sickermulden, die vor Hochwasser schützen und im Sommer Verdunstungskühle abgeben.

60 Ultra-Schnellladestationen mit 300 kW

Von dem neuen Ladepark sollen Bürger und Unternehmen gleichermaßen profitieren, da es zum einen das Ziel der CO2-Neutralität vorantreibt und zum anderen den Weg für eine flächendeckende Elektromobilität in der aktuell noch unterversorgten Region ebnet. Für das Unternehmen selbst ist das Projekt „ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum energieautarken Unternehmen“, wie es heißt. 

Mit der Realisierung kommt es insgesamt zu einem signifikanten Rückbau von versiegelten Flächen.

KAESER Ladepark Coburg

Auf einer Fläche von knapp 3,5 Hektar im Coburger Gewerbegebiet Nord sind an die 60 HPC-Ladestationen vorgesehen. HPC steht für High Power Charger, also eine ultraschnelle Ladeleistung, die in diesem Fall bei 300 kW liegt. Bei entsprechend dimensionierter Batterie lässt sich ein E-Auto damit in nur acht Minuten aufladen. Zudem sind auch vier Schnellladestationen für LKWs und 40 Stellplätze vorgesehen.

KAESER Ladepark Coburg, Waechter + Waechter Architekten, Holzbau
Der zweite Preis des Architekturwettbewerbs ging an das Büro Waechter + Waechter Architekten, das auf ein Raster aus Ladeschirmen und eine angrenzende Streuobstwiese setzt.

Die Tanke als Ausflugsziel

Ein intelligentes Stellplatzinformationssystem soll dafür sorgen, dass es sich beim Laden nicht staut. Sollte es dennoch zu Wartezeiten kommen, verspricht der Ladegarten samt Café-Shop, E-Bike-Leihstation und Kinderspielplatz einen kurzweiligen Aufenthalt. Die Fahrt zur Tanke könne dabei sogar zum familiären Wochenendausflug werden, wie es in der Aussendung heißt. 

„Grünraumketten führen die Nutzerinnen und Nutzer über eine barrierefreie Rampe auf die obere Ebene zu Dachterrassen und einem direkt anschließenden Parkareal. Dessen gartenhafter Charakter mit Kleinbäumen, Sitzgelegenheiten und einem Netzwerk aus attraktiven Spazierwegen lädt zum Erholen und Entspannen ein.“ 

Die beliebten Coburger Naherholungsgebiete Goldbergsee und Glenderwiesen sollen durch das Projekt außerdem besser angebunden werden. Da die Erschließung des Ladeparks nicht nur straßenbaulich erfolgt, sondern auch ein neues Netz an Fuß- und Radwegen entsteht, wird die Tankstelle zur inklusiven Destination, die allen Verkehrsteilnehmern offensteht.

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: KAESER Ladepark Coburg

Mach die Welle!

Das Kilden Performing Arts Centre in der norwegischen Stadt Kristiansand ist eine Freiformkonstruktion aus Holz mit über 14.000 Einzelteilen. ALA Architects schafften eine Form mit dramatischer Geste – und konkreter Funktion.

In Norwegen ist man stolz auf Holz. Schon die Wikinger verfügten über umfassendes Holzbauwissen, was sie zu einer der reichsten und fortschrittlichsten Zivilisationen der Welt machte. Noch heute zeugen an die Tausend Jahre alte Stabkirchen davon, dass das Bauen mit Holz in der Kultur des Landes tief verwurzelt ist. Sieht man sich die Vegetation des nordischen Königreichs an, dann ist dies auch nicht sehr verwunderlich. Drei Viertel Norwegens sind nämlich von Wald bedeckt.

Kilden Performing Arts Center, Kristiansan, Norwegen, ALA Architects
Die Fassade von Kilden ist eine der spektakulärsten Holzkonstruktionen der Welt.

Auch heute im Zeitalter der modernen Holzwerkstoffe bildet Norwegen die Speerspitze des Holzbau-Booms. Das Holz-Hochhaus Mjøstårnet in Brumunddal mit einer Höhe von 85,4 Meter war das erste seiner Art und lange Zeit auch der höchste sogenannte „Plyscraper“ der Welt. Weitere spektakuläre Holzbauten sind die Bibliothek von Vennesla und der Finansparken in Stavanger, beides vom norwegischen Architekturbüro Helen & Hard. 

Eine Welle aus Holz

Ein wegweisender Holzbau, der bereits vor über zehn Jahren in der südnorwegischen Metropole Kristiansand eröffnet wurde, ist das Kilden teater og konserthus – Performing Arts Centre. Die Reisenden der Kreuzfahrtschiffe, die am Pier direkt gegenüber ankommen, werden seit 2012 von diesem monumentalen Wahrzeichen begrüßt. Mit seiner riesigen Welle aus Holz, die aus der Glasfassade zu brechen scheint, sorgt Kilden auch abseits seiner kulturellen Events für viel Aufsehen.

Die Wand aus CNC-gefrästen Massivdielen hat nicht nur einen theatralischen Effekt, sie verbessert auch die Akustik des Foyers.

ALA Architects, Architekturbüro
Detail, Kilden Performing Arts Center, Kristiansan, Norwegen, ALA Architects
Das Eichenholz verleiht dem großzügigen Foyer einen warmen, einladenden Charakter. 

Entworfen wurde es vom finnischen Büro ALA Architects, das gemeinsam mit den örtlichen SMS Architects an der Umsetzung arbeitete. Mit einer Gesamtfläche von 16.500 Quadratmetern beherbergt es unterschiedliche Räumlichkeiten für kulturelle Veranstaltungen, darunter einen Konzertsaal mit knapp 1.200 Sitzplätzen, eine Theater- und Opernbühne mit rund 750 Sitzplätzen, eine Mehrzweckhalle mit 400 Stehplätzen und einen Saal für kleinere Events.

Dramatische Geste mit akustischer Funktion

Das Narrativ der hölzernen Welle spiegelt sowohl den maritimen Bezug des Ortes wider als auch die wirtschaftliche Bedeutung des Holzes für die Stadt Kristiansand. Der Eingangsbereich bildet eine dramatische Geste, die das inhaltliche Programm des Gebäudes gebührend feiert. „Die monumentale abstrakte Form der Wand aus heimischer Eiche trennt Realität von Fantasie. Auf dem Weg hinein gelangt das Publikum von der Naturlandschaft in den Bereich der darstellenden Künste“, erklären die Architekten von ALA.

Anlegestelle, Kilden Performing Arts Center, Kristiansan, Norwegen, ALA Architects
Direkt vor dem Kulturbau befindet sich eine Anlegestelle des Hafens.

Die monumentale abstrakte Form der Wand aus heimischer Eiche trennt Realität von Fantasie. Auf dem Weg hinein gelangt das Publikum von der Naturlandschaft in den Bereich der darstellenden Künste.

ALA Architects, Architekturbüro

Das Eichenholz verleiht dem großzügigen Foyer einen warmen, einladenden Charakter. Die extravagante Form und die spezifische Ausführung haben zudem eine besondere Funktion, wie die Architekten schreiben: „Die Wand aus verkeilten CNC-gefrästen Massivdielen hat nicht nur einen theatralischen Effekt, sie ist auch ein haptisches Artefakt, das die Akustik des Foyers verbessert.“ Nach außen hin schafft das weit auskragende Dach zudem einen witterungsgeschützten Bereich am Kai.

Ursprünglich als Stahlkonstruktion geplant

Für Besucher tut sich hinter der Glasfassade eine weitläufige Eingangshalle auf, die sich über die gesamte Länge des Gebäudes zieht. Die geschwungene Freiformkonstruktion aus Holz schiebt sich bis ins Innere hinein und markiert mit ihrem Heben und Senken die Eingänge zu den unterschiedlichen Hallen. Die Holzkonstruktion war eine besondere Herausforderung, nicht zuletzt, weil sie ursprünglich als Stahlkonstruktion geplant war.

Kilden Performing Arts Center, Kristiansan, Norwegen, ALA Architects
In der Nacht beleuchtet das Gebäude von innen die Hafeneinfahrt.

„Eine besondere Herausforderung waren die verschiedenen Schnittstellen, die unterschiedlichen klimatischen Zonen sowie die grossen Lasten“, erklären die Ingenieure von Blumer Lehman, die mit dem komplexen Holzbau beauftragt waren. Im Vorfeld der Arbeiten erstellten die Ingenieure ein detailliertes 3D-Modell sowie ein Musterfassadenelement, mit dem sich der Kunde und der Generalunternehmer schließlich von der Machbarkeit in Holz überzeugen ließen.

Holzkonstruktion aus 14.309 Einzelteilen

Das 3D-Modell lieferte den Schlüssel für die reibungslose Montage der insgesamt 14.309 Einzelteile. Die besondere Form der Konstruktion definieren die 1.769 gekrümmten Brettschichtholzträger, die durch gerade Träger zu 126 Elementen verbunden wurden.

Kilden Performing Arts Center, Kristiansan, Norwegen, ALA Architects
Blick von innen nach außen: Der Kulturbau schafft ganz unterschiedliche räumliche Erfahrungen.

Mit insgesamt 895 Bolzen montierte man schließlich diese Bauteile an den Stahlträgern der Primärkonstruktion. 12.248 Eichenbretter bilden die äußere Fassade der Konstruktion.

Kilden hat sich nicht nur zum kulturellen Kraftwerk von Südnorwegen entwickelt, der markante Kulturbau ist auch eine Landmarke im industriellen Hafengebiet. Ein weiteres Aushängeschild, das für den norwegischen Holzbau die Welle macht.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Tuomas Uusheimo, Iwan Baan

Turmbau zu Großarl

Das Naturresort Moar Gut in der Salzburger Bergwelt hat Zuwachs bekommen. Die Neubauten in moderner Holzbauweise passen zur lokalen Baukultur und stärken den bäuerlichen Bestand. Zentrales Element der Erweiterung sind die 5-geschossigen Suitentürme.

An die 40 bewirtschaftete Almhütten gibt es im Großarltal und damit die höchste Almendichte im Salzburger Land. Eine Ausnahme, denn der Trend geht in eine andere Richtung. Immer weniger Bauern lassen ihr Vieh auf den Almen weiden, da sich der Aufwand kaum lohne. Als Folge verwildert und verwaldet die über Jahrtausende geschaffene Kulturlandschaft in den Berghöhen zusehends und die Artenvielfalt nimmt ab. Dass die erfolgreiche Almbewirtschaftung auch im Auftrag eines Hotelleriebetriebes erfolgen kann, zeigt das Naturresort Moar Gut in Großarl. 

Hochgartl Suite, Naturresort Moar Gut, Großarl, Salzburger Land, LP Architektur
Die Hochgartl Suiten in den beiden fünf-stöckigen Holztürmen sind in einer Bauzeit von neun Monaten entstanden.

Luxusurlaub am Bauernhof

Das Familien-Luxusresort hat es sich zur Aufgabe gemacht, bäuerliche Kultur und naturnahen Lebensraum zu bewahren und einem zahlungskräftigen Publikum näher zu bringen. Die Kinder helfen beim Stallausmisten und toben sich im 1.000 Quadratmeter großen Spieleldorado, dem Natur Kinderhof, aus, während die Eltern auch mal eine Auszeit alleine im Spa verbringen. Entsprechend der Lage im Naturschutzgebiet der Hohen Tauern verfolgt die Gastgeberfamilie in dritter Generation „nachhaltigen, sozialen Tourismus im fairen und gemeinnützigen Gleichgewicht für alle Beteiligten und die Umwelt“.

So gibt es im Sommer und im Herbst Familienwanderungen zur Moar Gut Alm, die bis in die 1980er-Jahre bewirtschaftet wurde. Heute dient sie den Gästen als exklusives Refugium, während die hofeigenen Rinder die Almwiesen unterhalb des Gamskarkogels beweiden. Das Moar Gut in Großarl entwickelte sich aus einem einfachen Bauernhof, an dessen Bewirtschaftung die Hoteliers bis heute festhalten. „Der Bio-Bauernhof ist unser Ursprung, dies ist unsere Wurzel und daher essentiell für das Moar Gut“, heißt es dazu im Leitbild. 

Hochgartl Suiten, Naturresort Moar Gut, Großarl, Salzburger Land, LP Architektur
Die Suitentürme in konstruktiver Holzbauweise bilden das zentrale Element des Um- und Neubaus.

Die Baukörper sind so angeschnitten, dass aus jedem Blickwinkel des Dorfes eine andere Sicht möglich ist.

Tom Lechner, LP Architektur

Die alpine bäuerliche Kultur soll damit einem internationalen Urlaubspublikum zugänglich gemacht werden, während der Hotelleriebetrieb dafür sorgt, dass die Kühe weiterhin gemolken, die Butter gerührt und die Landschaft gepflegt wird. Mit dem Farm-to-table-Konzept kommt das Moar Gut Alm Rind damit ohne lange Umwege auf den Teller. Kurz gesagt: Ein ökologischer Luxusurlaub am Bauernhof für die ganze Familie.

Konstruktive Holzbauweise

Entsprechend dem Leitbild für nachhaltigen Tourismus setzt man bei der jüngsten Expansion des Resorts daher nicht auf eine Bettenburg jenseits der Auslastungsschmerzgrenze, sondern auf qualitativen Zuwachs im Maßstab zum bäuerlichen Bestand. Das neu errichtete Seerestaurant, die Reithalle am nördlichen Rand der Anlage und die beiden Suitentürme Hochgartl sind in konstruktiver Holzbauweise errichtet.

Seerestaurant, Naturresort Moar Gut, Großarl, Salzburger Land, LP Architektur
Ebenfalls neu in der Anlage ist das Seerestaurant.
Seerestaurant, Naturresort Moar Gut, Großarl, Salzburger Land, LP Architektur
Das Seerestaurant wurde 2022 mit dem BigSEE WOOD Design Award ausgezeichnet.

Entwurf und Planung der neuen Baukörper stammen vom Architekten Tom Lechner von LP Architektur. Das Büro mit Sitz in Altenmarkt hat sich dem nachhaltigen Bauen mit Holz verschrieben. Zu ihren jüngsten Projekten zählt die Lungau Arena und die geplante Erweiterung des Salzburger Hotel zum Hirschen.

Eine dörfliche Struktur 

Das Moar Gut wurde 2023 mit dem Holzbaupreis und dem BigSEE Award ausgezeichnet. Mit der Fertigstellung der fünfstöckigen Holztürme verfügt das Resort nun über 46 Suiten in unterschiedlichen Größen, herkömmliche Hotelzimmer gibt es keine. Durch das Bauen in die Höhe musste letztlich weniger Fläche versiegelt werden und die großzügigen Grünflächen um die Anlage konnten erhalten bleiben.

Reithalle, Naturresort Moar Gut, Großarl, Salzburger Land, LP Architektur
Die Reithalle mit der auffälligen Dachkonstruktion bildet den nördlichen Abschluss der Hotelanlage. 

Durch das filigran wirkende Fachwerk wird das Volumen strukturiert und starke Bezüge in die Landschaft hergestellt.

Tom Lechner, LP Architektur

Die Türme ergänzen zusammen mit den anderen Neubauten die typologische Vielfalt der Anlage, die der Struktur eines Dorfes nachempfunden ist. „Die Baukörper sind so angeschnitten, dass aus jedem Blickwinkel des Dorfes eine andere Sicht möglich ist“, erklärt Lechner. „Die Privatsphäre jeder einzelnen Suite steht im Vordergrund. Die Loggien bieten private Rückzugsoptionen inmitten der Natur.“

Showcase des modernen Holzbaus

Auffallend ist die Konstruktion der Reithalle, die sich mit dem asymmetrischen Giebeldach zum benachbarten Gebäude neigt und damit Platz für einen höher gelegenen Zuschauerbereich schafft. Das weit gespannte Dach mit den aussteifenden Streben hat mehr als eine rein konstruktive Funktion. Es ist ein architektonischer Hingucker, ein Showcase des modernen Holzbaus. „Durch das filigran wirkende Fachwerk wird das Volumen strukturiert und starke Bezüge in die Landschaft hergestellt“, so Lechner.

Reithalle, Naturresort Moar Gut, Großarl, Salzburger Land, LP Architektur

Die Hotelbetreiber unterstreichen die ökologischen Faktoren wie Energie- und Wasserverbrauch, die bei allen Investitionen und Neubauten bedacht werden. Das gesamte Resort wird aus der eigenen Bergquelle gespeist, so auch der Bergsee und der Außenpool, die dadurch über Trinkwasserqualität verfügen. Beheizt wird die Anlage mit Erdwärme.

In diesem Jahr steht schon die nächste Erweiterung des Moar Guts an. Zu den neuen Features zählen dann ein Baby-Spa, eine Indoor-Trampolinhalle und ein interaktiver Gaming-Room.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Albrecht Immanuel Schnabel

Ein Holzbau für McDonald’s

In São Paulo befindet sich Brasiliens „nachhaltigster McDonald’s“. Er ist aus Holz gebaut und dient als Lehrprojekt für das nachhaltige Bauen. Für den Konzern ist der Holzbau ein „Rezept für die Zukunft“.

Ein besseres Anzeichen dafür, dass der Holzbau langsam im Mainstream ankommt, gibt es eigentlich nicht. Wenn der US-amerikanische Fastfood-Gigant McDonald’s an einer der geschäftigsten Straßenkreuzungen von São Paulo eine Filiale eröffnet, die aus Holz gebaut ist, dann ist das wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl. Laut dem Architekturbüro SuperLimão Studio, das hinter dem ambitionierten Neubau steckt, ist es „der nachhaltigste McDonald’s in Brasilien“.

McDonald's, São Paolo, SuperLimão Studio, Holzbau
Gelbe Markierungen und QR-Codes führen wie ein Lehrpfad durch das nachhaltige Design der Filiale.

Biometrisches Fachwerkdesign

Für den aufgeständerten Holzbau haben sich die Architekten Anleihen in der Natur geholt, und zwar direkt bei den Bäumen. Die massiven Holzstützen, die vom Fundament bis zur Decke des Obergeschosses reichen, verzweigen sich im oberen Bereich wie die Äste eines Stammes. Die asymmetrischen Diagonalen des Fachwerks sind durch die geschosshohe Verglasung auch von außen gut erkennbar.

Für diesen biometrischen Ansatz im Design orientierte sich das Architektenteam am Baumbestand der angrenzenden Avenida Bernardino de Campos, wo angeblich die letzten verbleibenden Bäume des Stadtviertels stehen. Das begrünte Dach der Filiale soll neben den horizontalen Sonnenblenden dabei helfen, die Innenraumtemperatur auf natürliche Weise zu regulieren. Regenwasser und Klimaanlagenwasser werden gesammelt und wiederaufbereitet.

McDonald's, São Paolo, SuperLimão Studio, Holzbau
Die Holzkonstruktion ist im Inneren des Lokals sichtbar.

Holz-Mäkkie als Umweltbotschafter

Mit seinem prominenten Standort in der Stadt São Paulo soll der 2023 eröffnete Holz-Mäkkie ein sichtbares Exempel für das nachhaltige Bauen statuieren. „Da die öffentliche Wahrnehmung genauso wichtig ist wie das klimafreundliche Bauen an sich, haben wir das Projekt in ein Instrument zur Nachhaltigkeitsschulung und zur Förderung des Umweltbewusstseins zu verwandelt“, erklärt Lula Gouveia, Architekt und Partner bei SuperLimão.

Da die öffentliche Wahrnehmung genauso wichtig ist wie das klimafreundliche Bauen an sich, haben wir das Projekt in ein Instrument zur Nachhaltigkeitsschulung verwandelt.

Lula Gouveia, Architekt und Partner bei SuperLimão

Eine gelbe Bodenmarkierung führt Besucher wie ein Lehrpfad durch das Lokal. Entsprechende QR-Codes, die man in der Filiale platziert hat, verweisen auf den Nachhaltigkeitsaspekt bestimmter Materialien und Baustoffe. Beim Innenausbau und bei der Einrichtung habe man versucht, konventionelle Optionen durch nachhaltigere Alternativen von lokalen Produzenten zu ersetzen. So komme anstelle von Melamin recyceltes PET-Laminat zum Einsatz, wie es heißt.

Nachtansicht, McDonald's, São Paolo, SuperLimão Studio, Holzbau
Die nachhaltige Filiale befindet sich an einer stark befahrenen Kreuzung in São Paolo.

Durch die hohe Vorfertigung des Holz-Tragwerks habe man außerdem Ressourcen eingespart, den Energieverbrauch reduziert und die Baustellenzeit verkürzt. Woher das Holz für das Tragwerk des Schnellrestaurants stammt, hat das Architekturbüro nicht bekanntgegeben.

Brasiliens großer Waldverlust

Eines ist allerdings klar: Von einer nachhaltigen Forstwirtschaft ist man in Brasilien heute weit entfernt. Allein im Jahr 2022 verlor das Land rund 33.000 Quadratkilometer an Waldfläche, wie die Plattform Statista berichtet. Die Bäume mussten entweder der kommerziellen landwirtschaftlichen Produktion oder dem Wanderackerbau weichen. 

McDonald's, São Paolo, SuperLimão Studio, Holzbau
Zur Goldenen Möwe: Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft und Produkte aus abholzungsfreien Lieferketten.

Auch der Wald, der noch steht, ist infolge des Klimawandels zunehmend durch Extremwetter, Dürren und Schädlinge bedroht. Abholzung und Waldschädigung sind heute für rund ein Zehntel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Laut Klimaexperten müsste die Entwaldung bis 2030 um 70 Prozent zurückgehen, damit die Erderwärmung 1,5 Grad Celsius nicht übersteigt.

Ein Rezept für die Zukunft

Die umweltfreundliche Filiale in São Paulo ist Teil von McDonald’s Initiative „Recipe for the Future“, mit der sich der Fast-Food-Konzern der Dekarbonisierung verschrieben hat. Bis 2050 sollen alle 40.000 Restaurants und die zugehörigen Lieferketten klimaneutral sein. Papierverpackungen seien schon jetzt durchwegs FSC-zertifiziert und die zugekauften Produkte abholzungsfrei.

Fassade, McDonald's, São Paolo, SuperLimão Studio, Holzbau
Fassadenlamellen und ein begrüntes Dach sorgen für eine natürliche Raumkühlung.

Eine große Herausforderung wird wohl der CO2-neutrale Umbau der Lieferketten sein, die rund 80 Prozent von McDonald’s Gesamt-Emissionen ausmachen – man denke vor allem an die CO2-intensive Fleischproduktion. Dass das Net-Zero-Ziel zumindest bei der Errichtung und beim Betrieb eines Standortes möglich ist, zeigt die erste klimaneutrale Filiale, die kürzlich in England eröffnet wurde.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Maíra Acayaba

Schüsselerlebnis à la Japan

In Japan entsteht mit dem Hida Furukawa Station Eastern Development ein neues öffentliches Zentrum in Form einer traditionellen japanischen Schüssel. Sou Fujimoto verbindet damit Tradition mit Moderne – und ganz viel Natur.

Beim Namen Sou Fujimoto werden sich Architektur-Begeisterte wohl unweigerlich an Budapest erinnern. Denn in der ungarischen Hauptstadt eröffnete erst im Jänner 2022 eines der spektakulärsten Werke des japanischen Architekten: Mit dem von ihm entworfenen Haus der Musik entstand im Budapester Stadtpark ein extravagantes, aus 170 internationalen Projekten ausgewähltes Gebäude, das in Fachkreisen voller Begeisterung als zeitgenössisches architektonisches Meisterwerk bezeichnet wird.

Film-Vorbild

Es verwundert daher wenig, dass an Sou Fujimotos Projekte nicht nur von Expertinnen und Experten besonders hohe Erwartungen gestellt werden. Sein jüngst vorgestelltes mag diesen durchaus gerecht werden: Ein neues, multifunktionales Gemeinschaftszentrum im japanischen Hida, das Hida Furukawa Station Eastern Development.

Hida, Sou Fujimoto

Und diesmal sind es wohl vor allem Anime-Fans, die dabei an ein Meisterwerk erinnert werden: Denn Hida, in der japanischen Präfektur Gifu gelegen, war das Vorbild der fiktiven Stadt Itomori im Film „Your Name. – Gestern, heute und für immer“ aus dem Jahr 2016. Der Film gilt als einer der besten und mit einem Einspielergebnis von über 380 Millionen US-Dollar bis heute als einer der weltweit erfolgreichsten Anime-Streifen aller Zeiten.

Vergangenheit & Zukunft

Doch die Region rund um Hida ist für mehr bekannt als für filmische Inspiration. Die umgebende Natur, insbesondere die außergewöhnliche Gebirgs- und Waldlandschaft, in die die Stadt eingebettet ist, machen aus der Gegend ein beliebtes Ausflugsziel. Und sie diente dem Studio des Architekten, Sou Fujimoto Architects mit Sitz in Tokio, als Vorbild für seinen Entwurf des Hida Furukawa Station Eastern Development, das seinen Namen von der benachbarten Furukawa Station, dem Hauptbahnhof der 25.000-Einwohner-Stadt, hat.

Sou Fujimoto Hida
Das kreisrunde Zentrum …
Hida Furukawa Station Eastern Development
… beherbergt zahlreiche öffentliche Einrichtungen.

„Das Design ist eine riesige Landschaft, die Hidas Vergangenheit und Zukunft symbolisiert. Es hat die Form einer Schüssel oder eines Gefäßes, auf Japanisch Utsuwa genannt“, so das Studio. „Der einzigartige architektonische Raum wird den Besuchern ein besseres Bewusstsein für die majestätische Natur von Hida vermitteln.“

Dachpark

Das kreisrunde Zentrum wird auf insgesamt 21.300 Quadratmetern Veranstaltungsräume, verschiedene Geschäfte, ein Spa, eine universitäre Forschungseinrichtung, Studentenunterkünfte sowie einen Indoor-Sportplatz beherbergen. Die Einrichtungen sind rund um einen zentralen Platz gruppiert, über ihnen ruht die Dachkonstruktion auf um das Gebäude platzierten, weißen Säulen.

Sou Fujimoto Hida Furukawa Station Eastern Development

Das Dach stellt mit seiner Utsuwa-Form das Herzstück des Hida Furukawa Station Eastern Development dar. Mit zahlreichen runden Öffnungen versehen, die im Inneren des Zentrums für natürlichen Lichteinfall sorgen, fungiert das Dach als begrünter Park. Am tiefsten Punkt der „Schüssel“, am zentralen Hauptplatz des Gebäudes, kann es betreten werden.

Ad Astra!

Die am Rand aufsteigende Konstruktion gibt den Blick insbesondere in eine Richtung frei: himmelwärts. Dies symbolisiert einmal mehr die Natur, konkret die umgebende Berglandschaft. Auch sie versperrt den Blick in die Ferne, bringt einen aber dazu, nach oben zu schauen.

Hida Furukawa Station Eastern Development
Knotenpunkt ist ein zentraler Platz, …
Hida Furukawa Station Eastern Development
… von dem aus man das begrünte Dach betreten kann.

Die kreuz und quer durchführenden Wege lehnen sich an traditionelle Stadtlandschaften an, erläutern die Architekten. „Es soll Spaß machen, dort spazieren zu gehen.“

Das Projekt zielt auch darauf ab, die Touristenzahlen zu steigern und der Stadt neues Leben einhauchen. Pop-up-Funktionen und öffentliche Events sollen Besucherinnen und Besucher anlocken. Im Mittelpunkt werden dabei vermeintliche Gegensätze stehen: Tradition und Zukunft, Vielfalt und Konvergenz, Individualität und Gemeinschaft, Natur und Künstliches sowie Offenheit und Sicherheit.

Text: Resi Reiner, Michi Reichelt
Bilder: Sou Fujimoto Architects

Bhutan baut die Stadt der Zukunft

Das kleine Königreich hat große Pläne: Mit der visionären „Mindfulness City“ soll ein vorbildlich nachhaltiges Wirtschaftszentrum entstehen, das der Philosophie des „Bruttonationalglücks“ voll entspricht. Gebaut wird nach einem Masterplan des dänischen Star-Architekten Bjarke Ingels.

Gut 30.000 Zuhörer lauschten, als der König von Bhutan am 17. Dezember, dem Nationalfeiertag des Landes, seine Vision der „Mindfulness City“ präsentierte. Und was seine Majestät Jigme Khesar Namgyel Wangchuck ebenda ankündigte, passt wunderbar ins ohnehin schon faszinierende Bild des kleinen, zwischen Indien und Tibet gelegenen Königreichs. Denn obwohl das Projekt Bhutan zu einem wirtschaftlichen Zentrum Südostasiens machen soll, bleibt auch beim Plan für die „Achtsamkeitsstadt“ all das absolute Priorität, was das kleine Land weltberühmt gemacht hat: Buddhistische Werte, die legendäre bhutanische Philosophie des „Bruttonationalglücks“ und Nachhaltigkeit.

Alles für Mensch & Natur

Der über 1.000 Quadratkilometer große Masterplan zum Vorhaben stammt vom dänischen Top-Büro Bjarke Ingels Group (BIG) in Kooperation mit Arup und Cistri. Gebaut wird in Gelephu, im Süden von Bhutan. Und das Königreich, das als einziger Staat weltweit mehr CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt als er ausstößt, wird mit dem Großprojekt wohl ein weiteres Exempel für Umwelt- und Menschenfreundlichkeit setzen: Durch Investitionen in grüne Energie, physische und digitale Vernetzung sowie Bildung soll in der künftigen Sonderverwaltungsregion eine Stadt der Zukunft entstehen.

Blick in die Zukunft: So wird die „Achtsamkeitsstadt" aus der Vogelperspektive aussehen. (Bild: Brick Visual)
Blick in die Zukunft: So wird die „Achtsamkeitsstadt“ aus der Vogelperspektive aussehen.
Bhutan baut die Stadt der Zukunft. Tradition & Innovation, geschickt verbunden: Planbild einer typischen Straße der „Mindfulness City“. (Bild: BIG)
Tradition & Innovation, geschickt verbunden: Planbild einer typischen Straße der „Mindfulness City“.

Das vom Landschafts- und Stadtplanungsteam von BIG entworfene Konzept umfasst einen neuen internationalen Flughafen, Eisenbahnverbindungen, einen Wasserkraftdamm, öffentliche Räume und spezielle Gebäudetypologien. Letztere beruhen auf den neun Bereichen des Bruttonationalglücks-Index: Psychisches Wohlbefinden, Gesundheit, Bildung, Lebensstandard, Zeitnutzung, ökologische Vielfalt und Widerstandsfähigkeit, gute Regierungsführung, kulturelle Vielfalt und Widerstandsfähigkeit sowie Vitalität der Gemeinschaft.

Wir stellen uns die Achtsamkeitsstadt als einen Ort vor, der nirgendwo anders sein könnte. Ein Ort, an dem die Natur gefördert, die Landwirtschaft integriert und die Tradition nicht nur bewahrt, sondern auch weiterentwickelt wird.

Bjarke Ingels, Architekt und Gründer der Bjarke Ingels Group (BIG)
Faszinierender Vielfachnutzen: Eine der verbindenden Brücken der Mindfulness City beherbergt ein Gesundheitszentrum, das östliche und westliche Medizin vereint. (Bild: Atchain)
Faszinierender Vielfachnutzen: Eine der verbindenden Brücken beherbergt ein Gesundheitszentrum, das östliche und westliche Medizin vereint.

70 Prozent des Landes sind bewaldet. Eingebettet zwischen Bergen, Wäldern und Flüssen ist Bhutan zudem einer der letzten Hotspots der biologischen Vielfalt der Welt. Die neue Achtsamkeitsstadt soll diesen Vorzug verstärken. Und zwar, indem sie sich zu einem lebendigen Geflecht aus verbundenen Ökosystemen und Stadtvierteln entwickelt, die vom Netz der 35 das Gebiet durchziehenden Flüsse und Bäche geformt werden.

Sanft von ländlich zu urban

Die daraus resultierenden bandförmigen Stadtteile ähneln Reisfeldern. Sie bilden von den Hügeln ins Tal abfallende Terrassen. Die Stadt nimmt an Dichte zu: Vom ländlichen, erholsamen Hoch- bis hin zum dichten, urbanen Tiefland.

Bhutan setzt seine „Achtsamkeitsstadt“ behutsam in die Naturlandschaft. (Bild: Brick Visual)
Bhutan setzt seine „Achtsamkeitsstadt“ behutsam in die Naturlandschaft.
Wasserläufe bestimmen sowohl die dörflichen, als auch die urbanen Zonen. (Bild: BIG)
Wasserläufe bestimmen sowohl die dörflichen, als auch die urbanen Zonen.

„Wir stellen uns die Achtsamkeitsstadt als einen Ort vor, der nirgendwo anders sein könnte. Ein Ort, an dem die Natur gefördert, die Landwirtschaft integriert und die Tradition nicht nur bewahrt, sondern auch weiterentwickelt wird“, schildert Bjarke Ingels. Das von Wasserwegen geprägte Gelephu wird, so der Architekt, zu einem Land der Brücken, das Natur und Menschen sowie Vergangenheit und Zukunft lokal und global verbindet.

Multifunktionale Brücken

Wie Bhutans traditionelle Dzongs werden auch diese neuen, bewohnbaren Brücken zu kulturellen Wahrzeichen, die zugleich als Verkehrsinfrastruktur und städtische Einrichtungen dienen.

Auch die traditionelle Handwerkskunst des Königreichs Bhutan bekommt eine eigene Brücke als kommunikative Präsentationsfläche. (Bild: Brick Visual)
Auch die traditionelle Handwerkskunst des Königreichs Bhutan bekommt eine eigene Brücke als kommunikative Präsentationsfläche. (siehe auch Beitragsbild)

„Der Sankosh-Tempel-Damm bettet die Grundwerte der Achtsamkeitsstadt in eine kaskadenförmige Landschaft aus Stufen und Podesten ein. Die Technik wird zur Kunst und die Kräfte der Natur zur Power“, beschreibt Ingels. Und weil der dänische Star-Architekt für spektakulär innovative Projekte wie „Copen Hill“, „CapitaSpring“ oder das „Sluishuis“ weltbekannt ist, darf man davon ausgehen, dass seine Vision auch in Bhutan Realität wird.

Die Technik wird zur Kunst und die Kraft der Natur zu Energie.

Bjarke Ingels, Architekt und Gründer der Bjarke Ingels Group (BIG)
Bhutan baut die Stadt der Zukunft. Mehr als Wasserkraft zur Energiegewinnung: Der Sankosh-Tempel-Damm. (Bild: Brick Visual)
Mehr als Wasserkraft zur Energiegewinnung: Der Sankosh-Tempel-Damm.
Der Damm, der einen Tempel beherbergt, dient auch als Brücke, Treffpunkt und Ort für meditative Spaziergänge. (Bild: Brick Visual)
Der Damm, der einen Tempel beherbergt, dient auch als Brücke, Treffpunkt und Ort für meditative Spaziergänge.

Der Masterplan geht ins Detail: Natürliche Elemente und bestehende Infrastruktur, Landwirtschaft und Versorgungseinrichtungen schaffen elf unterschiedliche Stadtteile.

Manadals als Planungsmuster

Jedes dieser Viertel wird nach den Grundsätzen des Mandalas entworfen. Definiert durch symmetrisch um einen zentralen öffentlichen Raum angeordnete Typologien. Diese wiederholen sich, wodurch ein fließender Übergang entsteht: Von kleinen, in der Landschaft verstreuten Gebäuden im Norden bis zu größeren Grundrissen innerhalb der urbanen Umgebung im Süden.

Absoluter Vorrang für nachhaltige Materialien: Neue Bauten werden aus Holz, Bambus und Stein errichtet. (Bild: BIG)
Absoluter Vorrang für nachhaltige Materialien: Neue Bauten werden aus Holz, Bambus und Stein errichtet.

Intime, mit durchlässigen Steinen gepflasterte Straßen sorgen für umweltfreundliche Widerstandsfähigkeit, indem sie Regenwasser versickern lassen, statt es in die Kanalisation zu leiten. Dass für die neuen Gebäude einheimische Materialien wie Holz, Stein und Bambus verwendet werden, versteht sich von selbst. Genau wie die Tatsache, dass landestypische Motive wie Gesimse, Ornamente und Dachlandschaften das Aussehen aller Bauten prägen.

Die Achtsamkeitsstadt von Bhutan wird zu einem Zeugnis für die untrennbare Verbindung der Menschheit mit der Natur. Und zu einem globalen Beispiel für den Aufbau einer nachhaltigen menschlichen Präsenz auf der Erde.

Giulia Frittoli, BIG Partnerin
Spirituelles Zentrum auf einer verbindenden Brücke der neuen Stadt: Das Vajrayana-Zentrum, das Einblick in die täglichen Praktiken der Mönche und Meister der Achtsamkeit gewährt. (Bild: Brick Visual)
Spirituelles Zentrum auf einer verbindenden Brücke der neuen Stadt: Das Vajrayana-Zentrum, das …
Spirituelles Zentrum auf einer verbindenden Brücke der neuen Stadt: Das Vajrayana-Zentrum, das Einblick in die täglichen Praktiken der Mönche und Meister der Achtsamkeit gewährt. (Bild: Brick Visual)
…Einblick in die täglichen Praktiken der Mönche und Meister der Achtsamkeit gewährt.

Um bestehende und künftige Bebauung vor Überschwemmungen in der Monsunzeit zu schützen, werden entlang der von Norden nach Süden verlaufenden Flüsse und Nebenflüsse des Geländes Reisfelder angelegt. Diese dienen auch als Korridore für die Artenvielfalt der lokalen Flora und Fauna. Und sie belassen die Wanderrouten von Elefanten und anderen Wildtieren ungestört.

Bhutan plant fürs nationale Glücksgefühl

Die Stadtteile, die durch Flüsse voneinander getrennt sind, werden durch drei wichtige Mobilitätsverbindungen vernetzt. Gelegentlich werden diese als Verkehrsinfrastruktur mit zivilen und kulturellen Einrichtungen kombiniert. Dadurch bekommt die Achtsamkeitsstadt von Bhutan die von Architekt Bjarke Ingels beschriebenen „bewohnbaren Brücken“. Und selbstverständlich sind auch diese auf jeden der neun Bruttonationalglücksbereiche zugeschnitten.

Bhutan baut die Stadt der Zukunft: Die verschiedenen Stadtteile werden durch bequeme Transportkorridore verbunden. (Bild: BIG)
Die verschiedenen Stadtteile werden durch bequeme Transportkorridore verbunden.
Lebens- & Lernqualität in Holz: Auf einer Brücke entsteht die Universität der Zukunftsstadt von Bhutan. (Bild: Brick Visual)
Lebens- & Lernqualität in Holz: Auf einer Brücke entsteht die Universität der Zukunftsstadt von Bhutan.

Jede dieser Brücken beherbergt wichtige Ziele in der Stadt. Dazu zählen etwa der neue Flughafen und ein spirituelles Vajrayana-Zentrum, das Einblick in die täglichen Praktiken der Mönche und Meister der Achtsamkeit gewährt. Auch ein Gesundheitszentrum, das östliche und westliche Medizin vereint, und eine Universität, die ihre akademischen Aktivitäten vorstellt, finden auf den neuen Brücken Platz.

Hotspots, die verbinden

Ein hydro- und aquaponisches Gewächshaus, in dem alte landwirtschaftliche Praktiken und moderne Agrarwissenschaft präsentiert werden, ist ebenfalls Teil des großen Plans. Wie auch ein Kulturzentrum, in dem Besucher bhutanische Kultur und Bräuche erkunden können. Und ein Markt mit bhutanischem Textil, den BIG ebenso auf eine der neuen Brücken setzt.

Neue Brücke zur Welt: Der Spatenstich für den internationalen Flughafen der „Mindfulness City“ ist bereits erfolgt. (Bild: Brick Visual)
Neue Brücke zur Welt: Der Spatenstich für den internationalen Flughafen der „Mindfulness City“ ist bereits erfolgt.

Eine besonders spannende Brücke ist der erwähnte, hydroelektrische „Sankosh-Tempel-Damm“. Diesen setzt der Masterplan an die westliche Grenze der Stadt. Mit seiner stufenförmigen Stützmauer, die Aussichtspunkte, Treppen für meditative Spaziergänge und einen Tempel bietet, zählt er zu den eindrucksvollsten Bauten des Entwurfs: Besucher und Pilger werden entlang des künstlichen Felsens auf zahllosen individuellen Wegen zum Besucherzentrum und zum Tempel hinauf- und hinabsteigen können.

Tradition mit grüner Vision

Der „Sankosh-Tempel-Damm“ verkörpert – in architektonischer Form – alle grundlegenden Elemente von Gelephu: Die harmonische Koexistenz von Kultur und Natur. Konzipiert aus dem reichen Erbe des Königreichs Bhutan und dessen Wunsch nach einer blühenden Zukunft.

BIGs Masterplan erfüllt des Königs visionäre Ziele. Bild oben: Der neue, internationale Flughafen von innen. (Bild: Brick Visual)
BIGs Masterplan erfüllt des Königs visionäre Ziele. Bild oben: Der neue, internationale Flughafen von innen.
An der Außenfront des Sankosh-Tempel-Damms können Gäste und Pilger nach Belieben auf- und absteigen. (Bild: BIG)
An der Außenfront des Sankosh-Tempel-Damms können Gäste und Pilger nach Belieben auf- und absteigen.

BIG Partnerin Giulia Frittoli schildert das Ziel des Großprojekts so: „Inspiriert von der bhutanischen Kultur des Respekts und des Mitgefühls für andere und die Natur, soll die Achtsamkeitsstadt die ökologischen Systeme durch eine Stadtentwicklung verbessern, die Flora und Fauna sowie Menschen und Ideen miteinander verbindet. Sie wird zu einem Zeugnis für die untrennbare Verbindung der Menschheit mit der Natur. Und zu einem globalen Beispiel für den Aufbau einer nachhaltigen menschlichen Präsenz auf der Erde.“

Bhutan „baut“ Zuversicht

Ein erster Meilenstein des faszinierenden Vorhabens wurde im Dezember 2023 gelegt. Und zwar in Form des Spatenstichs für den neuen internationalen Flughafen von Bhutan. Der Trockenhafen ist bereits im Bau. Damit entstehen zwei große Knotenpunkte, die die Kapazitäten von Gelephus bestehender Tourismusinfrastruktur erweitern werden.

Kleine Länder wie Bhutan können schnell und innovativ Pläne umsetzen, vor denen andere Länder möglicherweise zurückschrecken.

Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, König von Bhutan
Bunt, lokaltypisch und modern zugleich: Die „Markt-Brücke“ der Achtsamkeitsstadt des kleinen Landes, das „Bruttonationalglück“ und Naturschutz in seiner verfassung verankert hat. (Bild: Brick Visual)
Bunt, lokaltypisch und modern zugleich: Die „Markt-Brücke“ der Achtsamkeitsstadt des kleinen Landes, das „Bruttonationalglück“ und Naturschutz in seiner Verfassung verankert hat.

An Nachfrage fehlt es nicht. Die Zahl jener, die das außergewöhnliche Königreich besuchen wollen, steigt seit Jahren rasant. Und läuft alles wunschgemäß, wird das Projekt „Achtsamkeitsstadt“ wohl dafür sorgen, dass Bhutan in Sachen Nachhaltigkeit und Bruttonationalglück weiterhin brilliert – künftig jedoch obendrein mit einer einzigartigen Innovation. Ganz im Sinne seiner auf Optimismus konzentrierten nationalen Vision „Bhutan Believe“, die den Bürgern neue Perspektiven eröffnen, sie stolz auf ihr Land machen und sie selbst, aber auch Besucher aus aller Welt begeistern soll.

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Department of Tourism Bhutan, BIG, Brick Visual, Atchain

In freier Schwebe

Der TUM Campus im Münchner Olympiapark zeigt, wie eine durchdachte Holzkonstruktion Ressourcen und damit auch Kosten sparen kann. Der aktuell größte Holzbau Europas wurde jetzt für den DAM Preis 2024 nominiert. 

Das berühmte Zeltdach aus Plexiglas im Münchner Olympiapark beeindruckt auch nach über 50 Jahren noch. Die Konstruktion von Günter Behnisch und Frei Otto hat trotz ihrer Transparenz und Leichtigkeit das Potenzial, mögliche Neubauten in der direkten Umgebung zu überschatten. Umgekehrt besteht auch die Gefahr, dass das architektonische Erbe im Zuge neuer Entwicklungen verblasst. In diesen Kontext hineinzubauen ist jedenfalls eine komplexe Herausforderung, die dem Architektenteam von Dietrich Untertrifaller im Fall des neuen TUM Campus meisterhaft geglückt ist. 

Landschaftsgestaltung, TUM Campus, TUM School of Medicine and Health, München, Olympiapark, Dietrich Untertrifaller, Holzbau
Das Außenareal mit den verschiedenen Sportfeldern wird als stark durchgrünte Parkfläche gestaltet.

Ein Superlativ im Holzbau

Ebenso wie bei den Olympiabauten von 1972 spielt beim TUM Campus das Dach eine maßgebliche Rolle in der Gestaltung. Auf einer Länge von 153 Metern kragt es 19 Meter aus und scheint in einer Geste der Leichtigkeit über der Tartanbahn zu schweben. Es schafft nicht nur einen schützenden Schirm über dem Zuschauerbereich, sondern auch beste Voraussetzungen für die Sportlabore im Erdgeschoss. Hier können die Leistungen von Sportlern witterungsgeschützt gemessen werden. Bei den Designentscheidungen stand also stets die Funktion im Vordergrund.

‚Licht, Frische und Großzügigkeit‘: Der Slogan der Olympischen Spiele München 1972 gilt auch heute für unseren Entwurf im denkmalgeschützten Olympiapark.

Dietrich Untertrifaller, Architekturbüro

Der gesamte Komplex, in dem die TUM School of Medicine and Health, eine Fakultät der Technischen Universität München, untergebracht ist, gilt als derzeit größter Holzbau Europas. 2023 eröffnet, wird er heute von 125.000 Studierenden und 30.000 Uni-Beschäftigten genutzt. Mit seiner gestalterischen Zurückhaltung und der horizontalen Ausrichtung fügt er sich wie selbstverständlich ins olympische Ensemble ein, ohne mit dem ikonischen Bestand zu konkurrieren. 

Dach, TUM Campus, TUM School of Medicine and Health, München, Olympiapark, Dietrich Untertrifaller, Holzbau
Das 19 Meter auskragende Dach besteht aus vorgefertigten Hohlkastenelementen, die eine sehr hohe Steifigkeit bei minimalem Eigengewicht aufweisen.

Erschließung durch die Rue interieure

„‚Licht, Frische und Großzügigkeit‘: Der Slogan der Olympischen Spiele München 1972 gilt auch heute für unseren Entwurf im denkmalgeschützten Olympiapark“, erklären die Architekten ihr Leitmotiv. Das Bregenzer Architekturbüro Dietrich Untertrifaller mit Zweigstellen in Wien, München, Paris und St. Gallen gewann den ausgeschriebenen Wettbewerb gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten Balliana-Schubert aus Zürich.

Während andere Wettbewerbsteilnehmer versuchten, formell an die ikonische Zeltdachkonstruktion anzuknüpfen oder die Bauvolumen unter einem Grasdach zu verbergen, reduzierten sich die Wettbewerbssieger auf das Wesentliche. „Der klar strukturierte Komplex ist in je zwei Hallen- und Institutscluster entlang einer zentralen Erschließungsachse gegliedert.“ Diese sogenannte „Rue interieure“ erschließt das gesamte Gebäude von Osten nach Westen und bildet zugleich einen kommunikativen Bereich. Geschosshohe Verglasungen bieten Einblicke in die einzelnen Sporthallen und machen das Raumprogramm transparent und nachvollziehbar. 

Rue interieur, TUM Campus, TUM School of Medicine and Health, München, Olympiapark, Dietrich Untertrifaller, Holzbau
Die Rue interieur erschließt das gesamte Gebäude von Osten nach Westen.
Sporthalle, TUM Campus, TUM School of Medicine and Health, München, Olympiapark, Dietrich Untertrifaller, Holzbau
Diese Hauptachse ist zugleich Treffpunkt und kommunikativer Bereich.

Holzbau beim Brandschutz vorne

Ein entscheidendes Argument für den Siegerentwurf waren nicht zuletzt die Kosten, wie Architekt Much Untertrifaller gegenüber dem Magazin „Detail“ erklärte: „Unser Entwurf war bei weitem der kostengünstigste. Holz ist nachhaltig und war bisher auch kostengünstig, da es im Gegensatz zu Stahl nicht zusätzlich mit Brandschutzanstrichen geschützt werden muss.“ War früher der Brandschutz der große Hemmschuh des Holzbaus, so gilt Holz heute im Fall eines Brandes als Sicherheitsgewinn. Im Gegensatz zu Stahl brennt Holz zum einen kontrolliert ab, zum anderen bildet es eine schützende Verkohlungsschicht an der Oberfläche, wodurch der Kern von tragenden Konstruktionen lange unbeschädigt bleibt. 

Unser Entwurf war bei weitem der kostengünstigste.

Dietrich Untertrifaller, Architekturbüro

Das Geheimnis des spektakulär auskragenden Vordachs, das ohne zusätzliche Stützen auskommt, ist eine spezielle Leichtkonstruktion aus Brettschichtholz-Fertigteilen, produziert von Rubner Holzbau. Die einzelnen vorgefertigten Elemente sind 28 Meter lang, 3,75 Meter breit und bestehen aus handelsüblichen Furnierlagenplatten und Brettschichtholzrippen. Die fertig verklebten Hohlkastenelemente haben eine sehr hohe Steifigkeit bei minimalem Eigengewicht. Auf diese Weise konnte der große Ausleger zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten realisiert werden.

Dach, TUM Campus, TUM School of Medicine and Health, München, Olympiapark, Dietrich Untertrifaller, Holzbau
Der große Ausleger besteht aus handelsüblichen Furnierlagenplatten und Brettschichtholzrippen und konnte so zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten realisiert werden.

Hallencluster in zwei Monaten errichtet

Gesamt betrachtet handelt es sich um eine Hybridkonstruktion. Während manche Bauteile, wie das Untergeschoss und die zentrale Erschließungsachse als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt wurden, hat man die Sporthallen, die Institutsbereiche und die komplette Dachkonstruktion in Holzbauweise errichtet. Die hohe Vorfertigung der Holzbauelemente ermöglichte zudem eine rasche Montage. „Mit der entsprechenden Logistik für Planung, Fertigung, Anlieferung und Montage konnten die Hallencluster in nur zwei Monaten Bauzeit errichtet werden.“

Für das Architektenteam stand bei der Wahl der Baumaterialien in erster Linie allerdings ein anderes Argument im Vordergrund. „Die Wahl fiel auf Holz, um die Verbindung zwischen Landschaftsraum und Architektur zu bewahren“, wie es heißt. Eine Verbindung, wie sie auch die denkmalgeschützten Olympiabauten herstellen. 

Montage, TUM Campus, TUM School of Medicine and Health, München, Olympiapark, Dietrich Untertrifaller, Holzbau
Die einzelnen vorgefertigten Elemente der Dachkonstruktion sind 28 Meter lang und 3,75 Meter breit.

Frei Otto, dessen visionäre Multihallle in Mannheim derzeit aufwändig saniert wird, war stets auf der Suche nach neuen und freien Formen des Bauens. Mit der Leichtigkeit des Holzbaus knüpft der neue TUM Campus an diesen Forschergeist an und zeigt, wie sich ein großes Bauvolumen mit selbstverständlicher Ressourcenschonung umsetzen lässt. Eine selbstbewusste Ergänzung für den Olympiapark und ein Bauwerk, das dem aktuellen Zeitgeist in der Architektur Ausdruck verleiht. Mit Feingefühl für den Kontext und einem bewussten Blick auf die planetaren Grenzen.

Der Campus der TU München wurde mit dem Austrian Green Planet Building Award ausgezeichnet und ist aktuell für den DAM Preis 2024 nominiert.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Aldo Amoretti, Marcus Buck, David Matthiessen

Grünes Büro in der Gartenstadt

Mit Ihrer Zustimmung verwenden wir YouTube, um Videos auf unserer Website einzubinden. Dabei werden Ihre Daten (insb. IP-Adresse, aktueller Website-URL, Web Client, sowie Cookies des Anbieters) an Google Ireland Limited übermittelt. Ihre Daten können dabei auch in den USA verarbeitet werden. Die USA haben kein angemessenes Datenschutzniveau und es besteht das Risiko, dass US-Behörden ohne Ihr Wissen und ohne angemessenen Rechtsschutz Zugriff auf Ihre Daten erhalten.

Sie können Ihre Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung
Akzeptieren und YouTube einblenden (inkl Übermittlung in die USA)

Die beeindruckende Stadtplanung Singapurs wurde von Eric Parry Architects um ein Gebäude bereichert. Entstanden ist mit dem Headquarter von Wilmar International ein grünes Büro, das zum Verweilen einlädt.

Sechs Millionen Menschen leben in Singapur, der sogenannten Stadt der Zukunft. Die Metropole ist allerdings auch die Stadt der Hitze. Die hochmoderne Skyline hat nämlich ihren Preis. Wolkenkratzer aus Stahl, Beton und Glas mögen in der Sonne glitzern und Wohlstand ausstrahlen, aber sie heizen sich auch sehr stark auf. Dem versuchen die Verantwortlichen nun entgegenzuwirken. Mit umfassender Begrünung.

Bereits Lee Kuan Yew, der erste Premierminister des Insel- und Stadtstaats, wollte Singapur zu einer „Stadt im Garten“ machen. Ein Plan, der heute so richtig Gestalt – und Farbe – annimmt. Denn Singapur hat eine grüne Mission: Eine Million neue Bäume sollen bis 2030 gepflanzt, Häuserfassaden und Dächer begrünt und zu „lebendigen Wänden“ werden. Die Pflanzen erobern die Stadt zurück – allerdings nach genauer Stadtplanung und mit ausgetüftelter Architektur. 

Vom Wolkenkratzer zum Pflanzenschmeichler

Das neue Headquarter von Wilmar International soll einer der Bausteine des neuen, grünen Stadtbilds Singapurs werden. Eric Parry Architects aus London haben den neuen Hauptsitz des Agrarunternehmens entworfen. 20.000 Quadratmeter Bürofläche, aufgeteilt auf sieben Stockwerke. Geschwungene Formen und ein etwas versetzter Aufbau der einzelnen Stockwerke bieten Platz für Terrassen und Balkone, die – natürlich – bepflanzt sind. 

Das Gebäude wurde durch acht stahlbeschichtete Säulen angehoben, sodass das Erdgeschoss eben genau dieses ist: Ein bepflanzter Außenbereich, der unter dem Haus hindurchführt. „Die Landschaft erstreckt sich sowohl über als auch unter den sieben Stockwerken des Gebäudes“, so Eric Parry, Gründer und Leiter des Architekturbüros. 

Pflanzen als neuer Obstkorb

Die Pflanzen gehören so selbstverständlich zur Einrichtung wie die Cafeteria für die Mitarbeitenden, ein Auditorium, ein Fitnessraum und die Joggingstrecke auf dem Dach. Und wie diese Benefits stellen auch sie tatsächlich einen Mehrwert für die Mitarbeitenden dar. Denn sie tragen dazu bei, das Mikroklima in den tropischen Wetterbedingungen erträglicher zu machen. 

So schafft es die üppige Begrünung nicht nur, die Temperatur in ihrer unmittelbaren Umgebung um ein paar Grad zu senken. Durch die versetzten Ebenen bieten die Terrassen zusätzlich Schatten. Überdachte Gehwege, die um das Gebäude herumführen, schützen wiederum vor den starken Regenfällen. 

Die Zukunft ist natürlich

Zwei Meter ausladende Lamellen aus hellem Terracotta umgeben jede Büroetage und dienen als passive Klimaanlage. Sie spenden ebenfalls Schatten, reduzieren die direkte Sonneneinstrahlung und verleihen dem Gebäude seine organische Form. Die Mitte des Gebäudes ist nach oben hin offen und lässt die versetzte Struktur erkennen. Darüber hinaus werden die unteren Büroetagen mit natürlichem Licht versorgt und der Energieverbrauch reduziert.  

Die nachhaltige Effizienz der Architekten, die in ihrem Entwurf zur Geltung kommt, erstreckt sich über mehrere Bereiche. Für den geringen Energieverbrauch hat das Gebäude daher die Green Mark Gold Plus Award Auszeichnung erhalten. Die Baumdichte auf dem Gelände wurde um 70 Prozent erhöht und fördert so das natürliche, tropische Ökosystem. 

Das Zusammenspiel aus Pflanzen und Architektur verleiht dem Gelände eine fast beiläufige Ästhetik. Die Pflanzen stehen hier klar im Fokus, schließlich sind sie der Inbegriff der grünen Mission Singapurs, und trotzdem stehlen sie dem Gebäude nicht die Show. Im Gegenteil: Durch sie wird das an sich schon fantastische Design so besonders und gibt dem Ort ein Stück Natürlichkeit zurück. Natürlichkeit für die Zukunft.

This site is registered on wpml.org as a development site. Switch to a production site key to remove this banner.