Ein Holzbau für McDonald’s

In São Paulo befindet sich Brasiliens „nachhaltigster McDonald’s“. Er ist aus Holz gebaut und dient als Lehrprojekt für das nachhaltige Bauen. Für den Konzern ist der Holzbau ein „Rezept für die Zukunft“.

Ein besseres Anzeichen dafür, dass der Holzbau langsam im Mainstream ankommt, gibt es eigentlich nicht. Wenn der US-amerikanische Fastfood-Gigant McDonald’s an einer der geschäftigsten Straßenkreuzungen von São Paulo eine Filiale eröffnet, die aus Holz gebaut ist, dann ist das wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl. Laut dem Architekturbüro SuperLimão Studio, das hinter dem ambitionierten Neubau steckt, ist es „der nachhaltigste McDonald’s in Brasilien“.

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Gelbe Markierungen und QR-Codes führen wie ein Lehrpfad durch das nachhaltige Design der Filiale.

Biometrisches Fachwerkdesign

Für den aufgeständerten Holzbau haben sich die Architekten Anleihen in der Natur geholt, und zwar direkt bei den Bäumen. Die massiven Holzstützen, die vom Fundament bis zur Decke des Obergeschosses reichen, verzweigen sich im oberen Bereich wie die Äste eines Stammes. Die asymmetrischen Diagonalen des Fachwerks sind durch die geschosshohe Verglasung auch von außen gut erkennbar.

Für diesen biometrischen Ansatz im Design orientierte sich das Architektenteam am Baumbestand der angrenzenden Avenida Bernardino de Campos, wo angeblich die letzten verbleibenden Bäume des Stadtviertels stehen. Das begrünte Dach der Filiale soll neben den horizontalen Sonnenblenden dabei helfen, die Innenraumtemperatur auf natürliche Weise zu regulieren. Regenwasser und Klimaanlagenwasser werden gesammelt und wiederaufbereitet.

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Die Holzkonstruktion ist im Inneren des Lokals sichtbar.

Holz-Mäkkie als Umweltbotschafter

Mit seinem prominenten Standort in der Stadt São Paulo soll der 2023 eröffnete Holz-Mäkkie ein sichtbares Exempel für das nachhaltige Bauen statuieren. „Da die öffentliche Wahrnehmung genauso wichtig ist wie das klimafreundliche Bauen an sich, haben wir das Projekt in ein Instrument zur Nachhaltigkeitsschulung und zur Förderung des Umweltbewusstseins zu verwandelt“, erklärt Lula Gouveia, Architekt und Partner bei SuperLimão.

Da die öffentliche Wahrnehmung genauso wichtig ist wie das klimafreundliche Bauen an sich, haben wir das Projekt in ein Instrument zur Nachhaltigkeitsschulung verwandelt.

Lula Gouveia, Architekt und Partner bei SuperLimão

Eine gelbe Bodenmarkierung führt Besucher wie ein Lehrpfad durch das Lokal. Entsprechende QR-Codes, die man in der Filiale platziert hat, verweisen auf den Nachhaltigkeitsaspekt bestimmter Materialien und Baustoffe. Beim Innenausbau und bei der Einrichtung habe man versucht, konventionelle Optionen durch nachhaltigere Alternativen von lokalen Produzenten zu ersetzen. So komme anstelle von Melamin recyceltes PET-Laminat zum Einsatz, wie es heißt.

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Die nachhaltige Filiale befindet sich an einer stark befahrenen Kreuzung in São Paolo.

Durch die hohe Vorfertigung des Holz-Tragwerks habe man außerdem Ressourcen eingespart, den Energieverbrauch reduziert und die Baustellenzeit verkürzt. Woher das Holz für das Tragwerk des Schnellrestaurants stammt, hat das Architekturbüro nicht bekanntgegeben.

Brasiliens großer Waldverlust

Eines ist allerdings klar: Von einer nachhaltigen Forstwirtschaft ist man in Brasilien heute weit entfernt. Allein im Jahr 2022 verlor das Land rund 33.000 Quadratkilometer an Waldfläche, wie die Plattform Statista berichtet. Die Bäume mussten entweder der kommerziellen landwirtschaftlichen Produktion oder dem Wanderackerbau weichen. 

McDonald's, São Paolo, SuperLimão Studio, Holzbau
Zur Goldenen Möwe: Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft und Produkte aus abholzungsfreien Lieferketten.

Auch der Wald, der noch steht, ist infolge des Klimawandels zunehmend durch Extremwetter, Dürren und Schädlinge bedroht. Abholzung und Waldschädigung sind heute für rund ein Zehntel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Laut Klimaexperten müsste die Entwaldung bis 2030 um 70 Prozent zurückgehen, damit die Erderwärmung 1,5 Grad Celsius nicht übersteigt.

Ein Rezept für die Zukunft

Die umweltfreundliche Filiale in São Paulo ist Teil von McDonald’s Initiative „Recipe for the Future“, mit der sich der Fast-Food-Konzern der Dekarbonisierung verschrieben hat. Bis 2050 sollen alle 40.000 Restaurants und die zugehörigen Lieferketten klimaneutral sein. Papierverpackungen seien schon jetzt durchwegs FSC-zertifiziert und die zugekauften Produkte abholzungsfrei.

Fassade, McDonald's, São Paolo, SuperLimão Studio, Holzbau
Fassadenlamellen und ein begrüntes Dach sorgen für eine natürliche Raumkühlung.

Eine große Herausforderung wird wohl der CO2-neutrale Umbau der Lieferketten sein, die rund 80 Prozent von McDonald’s Gesamt-Emissionen ausmachen – man denke vor allem an die CO2-intensive Fleischproduktion. Dass das Net-Zero-Ziel zumindest bei der Errichtung und beim Betrieb eines Standortes möglich ist, zeigt die erste klimaneutrale Filiale, die kürzlich in England eröffnet wurde.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Maíra Acayaba

In freier Schwebe

Der TUM Campus im Münchner Olympiapark zeigt, wie eine durchdachte Holzkonstruktion Ressourcen und damit auch Kosten sparen kann. Der aktuell größte Holzbau Europas wurde jetzt für den DAM Preis 2024 nominiert. 

Das berühmte Zeltdach aus Plexiglas im Münchner Olympiapark beeindruckt auch nach über 50 Jahren noch. Die Konstruktion von Günter Behnisch und Frei Otto hat trotz ihrer Transparenz und Leichtigkeit das Potenzial, mögliche Neubauten in der direkten Umgebung zu überschatten. Umgekehrt besteht auch die Gefahr, dass das architektonische Erbe im Zuge neuer Entwicklungen verblasst. In diesen Kontext hineinzubauen ist jedenfalls eine komplexe Herausforderung, die dem Architektenteam von Dietrich Untertrifaller im Fall des neuen TUM Campus meisterhaft geglückt ist. 

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Das Außenareal mit den verschiedenen Sportfeldern wird als stark durchgrünte Parkfläche gestaltet.

Ein Superlativ im Holzbau

Ebenso wie bei den Olympiabauten von 1972 spielt beim TUM Campus das Dach eine maßgebliche Rolle in der Gestaltung. Auf einer Länge von 153 Metern kragt es 19 Meter aus und scheint in einer Geste der Leichtigkeit über der Tartanbahn zu schweben. Es schafft nicht nur einen schützenden Schirm über dem Zuschauerbereich, sondern auch beste Voraussetzungen für die Sportlabore im Erdgeschoss. Hier können die Leistungen von Sportlern witterungsgeschützt gemessen werden. Bei den Designentscheidungen stand also stets die Funktion im Vordergrund.

‚Licht, Frische und Großzügigkeit‘: Der Slogan der Olympischen Spiele München 1972 gilt auch heute für unseren Entwurf im denkmalgeschützten Olympiapark.

Dietrich Untertrifaller, Architekturbüro

Der gesamte Komplex, in dem die TUM School of Medicine and Health, eine Fakultät der Technischen Universität München, untergebracht ist, gilt als derzeit größter Holzbau Europas. 2023 eröffnet, wird er heute von 125.000 Studierenden und 30.000 Uni-Beschäftigten genutzt. Mit seiner gestalterischen Zurückhaltung und der horizontalen Ausrichtung fügt er sich wie selbstverständlich ins olympische Ensemble ein, ohne mit dem ikonischen Bestand zu konkurrieren. 

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Das 19 Meter auskragende Dach besteht aus vorgefertigten Hohlkastenelementen, die eine sehr hohe Steifigkeit bei minimalem Eigengewicht aufweisen.

Erschließung durch die Rue interieure

„‚Licht, Frische und Großzügigkeit‘: Der Slogan der Olympischen Spiele München 1972 gilt auch heute für unseren Entwurf im denkmalgeschützten Olympiapark“, erklären die Architekten ihr Leitmotiv. Das Bregenzer Architekturbüro Dietrich Untertrifaller mit Zweigstellen in Wien, München, Paris und St. Gallen gewann den ausgeschriebenen Wettbewerb gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten Balliana-Schubert aus Zürich.

Während andere Wettbewerbsteilnehmer versuchten, formell an die ikonische Zeltdachkonstruktion anzuknüpfen oder die Bauvolumen unter einem Grasdach zu verbergen, reduzierten sich die Wettbewerbssieger auf das Wesentliche. „Der klar strukturierte Komplex ist in je zwei Hallen- und Institutscluster entlang einer zentralen Erschließungsachse gegliedert.“ Diese sogenannte „Rue interieure“ erschließt das gesamte Gebäude von Osten nach Westen und bildet zugleich einen kommunikativen Bereich. Geschosshohe Verglasungen bieten Einblicke in die einzelnen Sporthallen und machen das Raumprogramm transparent und nachvollziehbar. 

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Die Rue interieur erschließt das gesamte Gebäude von Osten nach Westen.
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Diese Hauptachse ist zugleich Treffpunkt und kommunikativer Bereich.

Holzbau beim Brandschutz vorne

Ein entscheidendes Argument für den Siegerentwurf waren nicht zuletzt die Kosten, wie Architekt Much Untertrifaller gegenüber dem Magazin „Detail“ erklärte: „Unser Entwurf war bei weitem der kostengünstigste. Holz ist nachhaltig und war bisher auch kostengünstig, da es im Gegensatz zu Stahl nicht zusätzlich mit Brandschutzanstrichen geschützt werden muss.“ War früher der Brandschutz der große Hemmschuh des Holzbaus, so gilt Holz heute im Fall eines Brandes als Sicherheitsgewinn. Im Gegensatz zu Stahl brennt Holz zum einen kontrolliert ab, zum anderen bildet es eine schützende Verkohlungsschicht an der Oberfläche, wodurch der Kern von tragenden Konstruktionen lange unbeschädigt bleibt. 

Unser Entwurf war bei weitem der kostengünstigste.

Dietrich Untertrifaller, Architekturbüro

Das Geheimnis des spektakulär auskragenden Vordachs, das ohne zusätzliche Stützen auskommt, ist eine spezielle Leichtkonstruktion aus Brettschichtholz-Fertigteilen, produziert von Rubner Holzbau. Die einzelnen vorgefertigten Elemente sind 28 Meter lang, 3,75 Meter breit und bestehen aus handelsüblichen Furnierlagenplatten und Brettschichtholzrippen. Die fertig verklebten Hohlkastenelemente haben eine sehr hohe Steifigkeit bei minimalem Eigengewicht. Auf diese Weise konnte der große Ausleger zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten realisiert werden.

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Der große Ausleger besteht aus handelsüblichen Furnierlagenplatten und Brettschichtholzrippen und konnte so zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten realisiert werden.

Hallencluster in zwei Monaten errichtet

Gesamt betrachtet handelt es sich um eine Hybridkonstruktion. Während manche Bauteile, wie das Untergeschoss und die zentrale Erschließungsachse als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt wurden, hat man die Sporthallen, die Institutsbereiche und die komplette Dachkonstruktion in Holzbauweise errichtet. Die hohe Vorfertigung der Holzbauelemente ermöglichte zudem eine rasche Montage. „Mit der entsprechenden Logistik für Planung, Fertigung, Anlieferung und Montage konnten die Hallencluster in nur zwei Monaten Bauzeit errichtet werden.“

Für das Architektenteam stand bei der Wahl der Baumaterialien in erster Linie allerdings ein anderes Argument im Vordergrund. „Die Wahl fiel auf Holz, um die Verbindung zwischen Landschaftsraum und Architektur zu bewahren“, wie es heißt. Eine Verbindung, wie sie auch die denkmalgeschützten Olympiabauten herstellen. 

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Die einzelnen vorgefertigten Elemente der Dachkonstruktion sind 28 Meter lang und 3,75 Meter breit.

Frei Otto, dessen visionäre Multihallle in Mannheim derzeit aufwändig saniert wird, war stets auf der Suche nach neuen und freien Formen des Bauens. Mit der Leichtigkeit des Holzbaus knüpft der neue TUM Campus an diesen Forschergeist an und zeigt, wie sich ein großes Bauvolumen mit selbstverständlicher Ressourcenschonung umsetzen lässt. Eine selbstbewusste Ergänzung für den Olympiapark und ein Bauwerk, das dem aktuellen Zeitgeist in der Architektur Ausdruck verleiht. Mit Feingefühl für den Kontext und einem bewussten Blick auf die planetaren Grenzen.

Der Campus der TU München wurde mit dem Austrian Green Planet Building Award ausgezeichnet und ist aktuell für den DAM Preis 2024 nominiert.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Aldo Amoretti, Marcus Buck, David Matthiessen

Holz-Hochhaus knackt 100-Meter-Marke

Über 120 Meter hoch, zu großen Teilen aus Holz gebaut und mit einer Glasfassade, die Strom erzeugt: In Offenbach soll ein Büroturm namens Namu künftig die Skyline prägen.

New York lässt grüßen. Zumindest, wenn man sich die Formgebung des in Offenbach geplanten Hochhauses Namu ansieht. Die nach oben hin auskragenden Volumina des Büroturms erinnern ein wenig an das Design des Affirmation Towers vom Architekturbüro David Adjaye. Dabei handelt es sich um einen in Manhattan geplanten Wolkenkratzer, der scheinbar auf den Kopf gestellt ist. Während die Volumenformung üblicherweise durch Setbacks, also Rücksprünge, erfolgt, kragen die Geschosse stattdessen nach oben hin aus. 

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Das geplante Hochhaus Namu wird in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet.

Das umgekehrte Hochhaus

Im Fall des Offenbacher Hochhauses sind es vier Vorsprünge, die den Grundriss mit steigender Geschosszahl wachsen lassen. „Die mit zunehmender Höhe breiter werdende Form hebt das Gebäude deutlich von den klassischen, sich nach oben verjüngenden Frankfurter Hochhäusern ab“, heißt es dazu vom zuständigen Büro Eike Becker Architekten aus Berlin. Auch wenn der Tower in Offenbach knapp 400 Höhenmeter unter seinem New Yorker Gestaltverwandten bleibt, so punktet Namu dafür mit seiner nachhaltigen Bauweise.

Die mit zunehmender Höhe breiter werdende Form hebt das Gebäude deutlich von den klassischen, sich nach oben verjüngenden Frankfurter Hochhäusern ab.

Eike Becker Architekten

Der Name ist in diesem Fall Programm. „Namu“ bedeutet im Koreanischen „Baum, Holz“ und soll damit ein Hinweis auf die Holz-Hybrid-Bauweise sein. Ein großer Teil des Tragwerks des 124 Meter hohen Bürotums wird aus dem nachwachsenden Baustoff bestehen. Bei den Stützen und Trägern handelt es sich um sogenannte Leimbinder, die aus mehreren in gleicher Faserrichtung verleimten Hölzern bestehen. Sie basieren auf der modernen Holztechnik und kommen vorrangig im Ingenieurholzbau zur Anwendung.

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Mit einer Höhe von 124 Meter wird der Holz-Hybride künftig die Skyline von Offenbach prägen.

Ökologischer Nutzen durch Holz

Die Holzstützen im unteren Bereich des neuen Hochhauses erreichen eine Stärke von bis zu 80 mal 80 Zentimeter, wie auch in den Visualisierungen zu sehen ist. Eike Becker Architekten, die den Wettbewerb um das aktuell größte Bauprojekt der Stadt für sich entscheiden konnten, unterstreichen den ökologischen Nutzen des Naturbaustoffs: „Dank des hohen Holzanteils werden somit schon vor Baubeginn viele Tonnen CO2 aus der Luft gefiltert.“

Neben einer Tiefgarage aus Stahlbeton, wird es im Büroturm auch einem aussteifenden Kern bestehend aus Treppenhäusern und Aufzugschächten geben. Zusätzlich werden die Zwischendecken laut Projektinfo in Stahlbeton ausgeführt, allerdings sei der Betonanteil gegenüber herkömmlichen Bauten deutlich niedriger.

Dank des hohen Holzanteils werden somit schon vor Baubeginn viele Tonnen CO2 aus der Luft gefiltert.

Eike Becker Architekten

Nur rund sieben Kilometer Luftlinie weiter westlich, in Frankfurts jungem Europaviertel, befindet sich bereits das von Eike Becker geplante Holz-Hybrid-Hochhaus Timber Pioneer. Das Bürogebäude, in dem rund 1.800 Kubikmeter Fichtenholz verbaut sind, entstand in einem Joint Venture von UBM Development und Paulus Immobilien und wird in diesem Jahr fertiggestellt.

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Massive Holzstützen mit einer Stärke von 80 mal 80 Zentimeter prägen die Räume im unteren Bereich.
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Die vorgehängte Glasfassade ist energieaktiv und produziert Strom aus Sonnenlicht.

Energieaktive Fassade

Das Besondere an Namu sei neben der Holz-Hybrid-Bauweise auch das Low-Tech-Energiekonzept und die vorgehängte, energieaktive Glasfassade. „Die Fassade fängt Sonnenenergie ein und ermöglicht somit eine weitestgehend autarke Energiezufuhr“, so Eike Becker Architekten über die grüne Stromgewinnung.

Gebaut werde nach der Cradle-to-Cradle-Strategie, also nach dem Prinzip der geschlossenen Rohstoffkreisläufe, wie sie auch in der Natur vorkommen. Ziel dieser Strategie ist es, dass es künftig keine Abfälle mehr gibt, sondern nur Wertstoffe, die am Ende des Lebenszyklus eines Gebäudes wiederverwendet werden. Dass es sich auch mit gebrauchten Materialien gut bauen lässt, haben jüngst die Architektinnen von LXSY bei ihrem zirkulären Projekt Impact Hub Berlin unter Beweise gestellt.

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Der neue Büroturm entsteht nahe der Mainbrücke am Kaiserlei.

Zuwachs für Offenbachs Skyline

Entstehen wird der 32-geschossige Tower direkt am Offenbacher Mainufer, nahe der Mainbrücke am Kaiserlei. Von der nahegelegenen Autobahn aus wird er prominent zu sehen sein und Offenbachs eher bescheidene Skyline künftig prägen. Der City Tower Offenbach, bislang das höchste Gebäude der Stadt, bekommt durch den Namu Konkurrenz. Ob er tatsächlich höher ist, bleibt allerdings Ansichtssache. Zwar überragt der Holz-Hybride den Rekordhalter um ein paar Meter, doch mit dem knapp 18 Meter hohen Stahlmast erreicht der City Tower eine Gesamthöhe von 140 Meter.

Kürzlich wurde von der Stadt Offenbach der Bauplan für den Holz-Hybriden beschlossen. Damit wird er den New Yorker Affirmation Tower, der derzeit auf Eis gelegt ist, zumindest zeitlich überrunden.

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Eike Becker Architekten

Mexikos größter Holzbau

Das Architekturbüro Dellekamp Schleich hat in Mexiko-Stadt den bislang größten Ingenieur-Holzbau des Landes entworfen. Das Bürogebäude Jardín Anatole ist nicht nur nachhaltig gebaut, es soll auch Erdbeben gut standhalten.

Mexiko-Stadt zählt zu den Starkbebengebieten der Erde. Nach dem verheerenden Erdbeben im Jahr 1985, bei dem rund eine Viertelmillion Menschen obdachlos wurde, achtete man vermehrt darauf, dass erdbebensicher und nach den geltenden Bauvorschriften gebaut wurde. Als Alternative zur gängigen Bauweise in Stahlbeton und Stein setzten die Architekten von Dellekamp Schleich bei ihrem jüngsten Projekt auf den wesentlich leichteren Baustoff Holz. El Jardín Anatole, wie das vierstöckige Holz-Hybrid-Gebäude heißt, ist bis dato der größte Ingenieur-Holzbau in Mexiko.

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Das Bürogebäude El Jardín Anatole ist bislang der größte Holz-Hybrid-Bau in Mexiko.

Die Konstruktionsmaterialien des Bürohauses sind schon an der Fassade ablesbar. Ein Exoskelett aus Eichenholz und Stahl ist das auffälligste Gestaltungsmerkmal des Gebäudes, mit dem die Architekten mit gutem Beispiel für „innovative Bauweisen“ vorangehen möchten. Bis auf den V-förmigen Stahlträger im Erdgeschoss und den Erschließungskern aus Beton bestehe das Tragwerk aus nachhaltigen Holzwerkstoffen.

Holz-Hochhaus im Rütteltest

Entgegen der landläufigen Meinung sind Holzgebäude im Erdbebenfall meist stabiler als Stein- oder Betonhäuser, da sie durch ihre Flexibilität in der Lage sind, die Kräfte zu absorbieren. Durch das geringere Gewicht sind sie auch weniger anfällig für Schäden. Um die seismische Widerstandskraft von modernen Holzbauten zu testen, unternahm man im kalifornischen San Diego 2023 einen Rütteltest an einem zehnstöckigen Mockup.

Nach der Simulation mehrerer Erdbeben von unterschiedlicher Stärke schwankte das Mockup, kam dann aber wieder zur Ruhe, ohne dass durch die Erschütterungen erkennbare Schäden entstanden waren. Das maßstabsgetreue Modell eines Holz-Hochhauses stammte vom Büro Lever Architecture, das bereits zahlreiche Holzbauprojekte umgesetzt hat, unter anderem das Vorzeigeprojekt Redfox Commons in Portland, Oregon. 

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Das viergeschossige Bürogebäude weist ein Exoskelett aus Holz auf.
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Ein V-förmiger Stahlträger markiert den Eingangsbereich der Gewerbefläche.

Eine flexible Struktur

El Jardín Anatole, eines ihrer jüngsten Bauprojekte, sehen die Architekten von Dellekamp Schleich daher auch als eine Art Case Study für das erdbebensichere Bauen. Sie suchten nach einer Struktur, die solide und flexibel zugleich sei, um mögliche Erschütterungen absorbieren zu können. „Wir haben die gesamte Struktur, einschließlich des Fachwerks, sorgfältig geplant, damit sie ihrem Eigengewicht und möglichen Erdbeben standhält.“

Wir haben die gesamte Struktur sorgfältig geplant, damit sie ihrem Eigengewicht und möglichen Erdbeben standhält.

Dellekamp Schleich, Architekturbüro

Die verwendeten Holzwerkstoffe sind aus nordmexikanischen Eichen gefertigt. Eine Holzart, die vor allem wegen ihrer Robustheit und ihrer langen Haltbarkeit geschätzt wird. Außerdem verfügt es über eine hohe Elastizität, was für die Architekten in diesem Fall ausschlaggebend war. „Eichenholz, das wir wegen seiner hohen Biegsamkeit gewählt haben, bietet deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Baumaterialien.“

Ein Mehrwert für die Stadt

Abgesehen von seiner nachhaltigen und erdbebensicheren Bauweise erfüllt das Bürogebäude mit einer Nutzfläche von 940 Quadratmeter den Anspruch der städtischen Nachverdichtung. Es entstand im unbebauten Innenhof eines historisch wertvollen Gebäudes. „El Jardín Anatole erhebt sich aus einer Bebauungslücke in Mexiko-Stadt mit Potenzial zur Nachverdichtung“, erklären die Architekten den stadtplanerischen Hintergrund.

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Das Bürohaus wird von begrünten Flächen gesäumt, die öffentlich zugänglich sind und der Stadt einen Mehrwert bringen.

Eichenholz, das wir wegen seiner hohen Biegsamkeit gewählt haben, bietet deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Baumaterialien.

Dellekamp Schleich, Architekturbüro

Der Neubau ist an zwei Seiten von einem dichten Grünstreifen und Bäumen gesäumt. Ein Bereich mit Aufenthaltsqualität, der nicht nur den Nutzern des Gebäudes zugute kommt, sondern auch den Stadtbewohnern. Dazu heißt es von Dellekamp Schleich: „Da nur wenige Immobilien in diesem Stadtgebiet über unbebaute Bereiche verfügen, sollte der Entwurf die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem verschwimmen lassen und einen öffentlichen Raum mit Verbindung zur Stadt schaffen.“

Holzbau mit Vorbildwirkung

Dadurch, dass sich die Haupt-Tragstruktur an der Fassade des Gebäudes befindet, konnten die Büroräumlichkeiten offen und großzügig gestaltet werden. So wie an der Außenseite, dominieren auch im Inneren die natürlichen Holzoberflächen. Das Erdgeschoss, das gewerblich genutzt wird, verfügt über die doppelte Raumhöhe und ist an zwei Seiten vollständig verglast. Über eine große Glasschiebetür lässt sich der Raum zum parkähnlichen Garten hin öffnen.

Der Holzbau ist in Mexiko zwar kulturell verankert, allerdings wurde damit kaum über zwei Stockwerke hinaus gebaut. Im städtischen Raum hatte das Holz als Baustoff bislang keine nennenswerte Bedeutung. Mit Jardín Anatole, dem ersten mehrgeschossigen Holzbau-Projekt in Mexiko, könnte sich das künftig ändern, so hoffen die Architekten.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Rafael Gamo

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